1861 -
Berlin
: Charisius
- Autor: Klöden, Gustav Adolph von
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Ergänzungen aus der mathemathischen Geographie.
Ist die Erde eine vollkommene Kugel, d. h. sind alle Punkte der Oberfläche
gleich weit vom Mittelpunkte entfernt, so müssen sie auch alle gleich stark von die-
sem angezogen werden, d. h. es muß überall die Schwere gleich stark wirken. Zeigte
aber diese nach den Polen hin ein Zunehmen, nach dem Aequator ein Abnehmen,
so würden wir schließen, daß die Erde an den Polen eingedrückt und am Aequator
aufgetrieben wäre.
Läßt man nun ein Sekunden-Pendel in verschiedenen Breiten schwingen, so
findet man, daß die Schwingungen um so schneller geschehen, je mehr man sich
den Polen nähert, d. h., daß hier eine bedeutendere Einwirkung der Schwere statt-
findet, die den Schwingungsbogen verkürzt. Soll die Schwingungszeit dieselbe
bleiben, so muß man das Pendel länger machen, je niehr man sich den Polen
nähert. Es wird also die Länge des Pendels mit zunehmender Breite auch die
Zunahme der Schwere anzeigen, und das Verhältniß der Sekundenpendellänge
zweier Orte ist daher auch das Verhältniß der Intensitäten der Schwere.
— Die Länge des einfachen Sekundenpeudels beträgt unter dem Aequator 3,0504,
an den Polen 3,0664 Par. Fuß*); der Fallraum in der ersten Sekunde im luftleeren
Raume ist am Aequator 15,'054, an den Polen 15,132 Fuß; und ist die Schwere
am Aequator 1, so ist sie an den Polen 1,005176. — Wir schließen daher aus
der verschiedenen Schwere auf die Abplattung und aus dieser aus die Rotation.
§ 152. Ist die Erdoberfläche nach den Polen hin nicht so stark gekrümmt, als
am Aequator, so ist die Strecke, welche man ini Meridiane zurücklegen muß, damit
der Polarstern seine Hohe um 1" ändere, nach den Polen hin eine größere, als
am Aequator. Gradmessungen in verschiedenen Breiten müssen darüber ent-
scheiden. Die bedeutendsten, welche ausgeführt sind, haben Bouguer und La
Condamine 1735 bis 1744 am Aequator in Süd-Amerika vorgenommen; ferner
1736 Maupertuis und Celsius in Lappland (bei Tornen); Mechain, Ve-
lambre und Borda (1792 — 98) von Dünkirchen bis Barcelona (9|°), eine
Messung, die später durch Biot und Arago bis Formentera fortgesetzt worden ist.
Diese Gradmessungen geben die Abplattung zu 7jöwj an; sie beträgt also an
jedem Pole nahe 3 Meilen (1719 : x — 302,02 : 301,02). Nach den Pendelbe-
beobachtungen scheint die Abplattung der Südhemisphäre größer, als die der Nord-
hemisphäre. Der Aequatorialhalbmesser ergibt sich zu 3.272.077 Toisen, der Po-
lardurchmesser zu 3.261.139,33 Toisen (19.632.462 und 19.566.836 P. F., Unter-
schied 65.626 F. — 2,87 M.)
§ 153. Außer der Abplattung gibt es noch einen andern Beweis für die
Rotation der Erde. Läßt man einen Körper frei von eineni Thurme oder in dem
Schacht eines Bergwerkes herabfallen, so fällt er nicht in der senkrechten Linie
herab, sondern er weicht östlich von derselben ab. Der Grund kann nur in der
Rotation der Erde liegen. Der Punkt, von welchem aus er fällt, ist vom Mit-
telpunkt entfernter als der, zu welchem er fällt, ersterer muß also auch schnellere
Bewegung haben, als letzterer. Die Bewegung des fallenden Körpers wird also
durch die Schwere und die ihm mitgetheilte Schwungkraft geleitet, und er muß
dem Punkt, der senkrecht unter ihm lag, um etwas nach Osten vorausgehen.
Die Astronomie lehrt uns, daß die übrigen Planeten um ihre Achse rotireu,
und wir schließen daher, daß auch unserer Erde die Bewegung mitgetheilt sei. —
Aus den §.119 angeführten Passatwinden, welche zwischen den Wendekreisen wehen,
schließen wir ebenfalls aus die Rotation der Erde, da sie sich durch dieselbe voll-
ständig und leicht erklären lassen.
§ 154. Die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne läßt sich
durch astronomische Beobachtungen beweisen; denn alle Erscheinungen an den Pla-
neten lassen sich auf das vollkommenste erklären, wenn man annimmt, die Erde und
die Planeten bewegen sich um die Sonne. Aus der Bewegung der Erde um ihre
*) In Berlin nach Bessel 440,73 Par. Linien — 3,0606 P. F.