1867 -
Frankfurt a.M.
: Jaeger
- Autor: Lüben, August, Cassian, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Gymnasium
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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sie durch die Wärme der Sonne, der umgebenden Luft und des oberflächlich
über den Gletscher fließenden Wassers aufgelöst und als Gletscherbach den
tiefern Thälern zugesührt wird.
Die Gletscher sind verschieden groß und mächtig. Es giebt einige,
welche viele Stunden im Umfang haben und eine Dicke von 100 — 450'
erreichen. An ihrem unteren Ende, welches an die Waldregion hinabreicht,
sind sie in der Regel dreimal schmäler als an ihrem oberen, und brechen
ziemlich steil mit einer Endfläche ab, an deren Fuß die trichterförmige
Eishöhle liegt, aus welcher lltr Gletscherbach das aus der Schmelzung
des ganzen Gletschers entstandene Wasser wegführt. Dieses Gletscherthor
hängt rückwärts mit Höhlen Zusammen, die sie oft weit unter dem Glet-
scher hinziehen und das Werk warmer Luftströmungen, vorzugsweise aber
das durch die Gletscherspalten herabrinnenden Wassers sind.
Das nackte Gebirge in der Höhe ist durch Wasser und Frost. Wind
und Regen, Sonne und Lust der Verwitterung ausgesetzt, und diese ist
grade in der Zone der Schneegrenze am bedeutendsten. Durch diesen Prozeß
lösen sich Felstrümmer los, und solche Anhäufungen von Steinen, welche
sich von den Felswänden des Gletscherthales loslösten, finden sich darum
aus beinahe allen Gletschern. Sie heißen Morainen, und zwar unterscheidet
man Seitenmorainen (Gandecken), Mittelmoraineu, (Gusferlinien) und Eud-
moraiuen. Die Seitenmorainen begleiten die beiden Seiten des Gletschers
als lauge Schuttwälle, in welchen die Felstrümmer sowohl in Hinsicht aus
Größe, als auf Beschaffenheit der Bestandtheile völlig ordnungslos durch
einander liegen. Dasselbe gilt auch von den Endmorainen, welche gewöhnlich
bogenförmig das untere Gletschereude umgeben und aus sämmtlichen Trümmern,
mächtigen Felsblöcken, Steinen, Sand oder Erde bestehen, die der Gletscher
unterwegs auffängt und aus seinem Rücken an seinen Eudabfall führt. Vor
manchen Gletschern liegen mehrere Morainen hinter einander; sie bezeichnen
die Größe ihres Vorrückens zu verschiedenen Zeiten. Die beim Rückzug
des Gletschers hinter der Endmoraiue frei werdende Fläche heißt Gletscher-
boden. Die Mittelmoraineu steigen bald als hohe Dämme, bald nur als
eine Reihe einzelner Steine über die ganze Länge des Gletschers hinab.
Es sind auf vielen Gletschern 3, 4 bis 8, von denen eine jede an einem
Felsvorsprung beginnt, der zwei Gletscherzuflüssen zur Trennung dient.
Sie bestehen also aus der in die Mitte genommenen und durch das stete
Vorrücken des Gletschers nach einer Linie ausgezogenen Vereinigung der
Seitenmorainen beider Gletscherzuflüsse.
Wenn man die ungeheure Eislast des Gletschers und seine thalwärts
gerichtete Bewegung bedenkt, so wird man es erklärlich finden, daß die
Felswände unter oder neben ihm glatt geschliffen werden. Die festgefornen
Steine und Quarzsandkörner bewegen sich mit dem Gletscher fort und
schleifen und poliren, wie eine gewaltige Druckfeile, die Felsen. An diesen
Glerscherschliffen nimmt man parallele Kritze und Furchen in der Richtung
des fortgeschobenen Gletschereises wahr, welche bei andern Felsstücken,
namentlich bei den durch Wasser abgerundeten, niemals vorkommen. Unter
allen Gletschern finden sich solche Schlifsflächen; man trifft sie aber auch
an vielen Felsen, die jetzt weit von den Gletschern entfernt liegen. Sie
sind ein umumstößlicher Beweis, daß vor Zeiten Gletscher ins Thal sich