1837 -
Heidelberg
: Winter
- Autor: Dittenberger, Theophor Friedrich, Nägele, Franz Karl
- Auflagennummer (WdK): 4
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Politisch e Geographie.
Arnulph von Kärnthen auf den deutschen Thron erhoben und
Deutschland ein Wahlreich wurde. Mit seinem Sohne Ludwig
dem Kind erlosch 911 das Geschlecht der Karolinger in Deutschland.
Konrad I. Herzog von Franken erhielt die Königswürde,
während in seinem Reiche Rittergewalt und Priestermacht unge-
bunden, listig und roh walteten, durch Otto l. den Großen (936 bis
973) aber das königliche Ansehen sich im Innern fester begründete,
und die Gewalt der deutschen Herrscher nach Aussen dadurch er»
weitert wurde, daß sich Otto auf einem Zuge nach Italien nicht
nur zum Könige der Lombardei, sondern auch 962 in Rom
zum Römischen Kaiser krönen ließ. Durch Konrad Ii. (1024 bis
1039) wurde die Ordnung in Deutschland noch mehr hergestellt
und das Reich mit Burgund vergrößert. Aber seit dieser Zeit
begann ein Kampf über die Handhabung und Ausübung der kai-
serlichen Gerechtsame in Italien, der oft die ganze Kraft der
Kaiser in Anspruch nahm, und unzählige Heere durch die Rö-
merzüge zu Grunde richtete. In diesen Kämpfen, deren oft
unsichtbare Triebfeder das Papstthum war, hob sich Roms Herr-
schaft zu jener allmächtigen, geistlichen Universalmonarchie und
ihnen untersag nach manchen Wechselfällen das herrliche Kaiser-
geschlecht der Hohenstaufen (1138—-1268). Während dieses Kam-
pfes , der den Blick der Herrscher zu sehr nach Aussen zog,
sank im Innern die Gewalt des kaiserlichen Ansehens, auf des-
sen Kosten die Macht der Einzelnen sich erhob. Doch in dersel-
den Zeit fieng eine neue lebendigere Entwicklung in Deutschland
an, das Ritterthum gelangte in die Periode seiner edelsten Ent-
faltung, deutsche Poesie und Kunst verbreitete sich in ihrer kräf-
tig-schönen Eigenthümlichkeit und durch selbstständigeren Wachs-
thum städtischer Freiheiten wurde der Grund zur Heranbildung
eines tüchtigen Bürgerstandes gelegt. Die Begeisterung, das ge-
lobte Land christlicher Herrschaft zu gewinnen, hatte auch die deut-
schen Fürsten und Völker mit heiligem Feuer erfaßt, und so übten
die Krcuzzüge ans sie durch Verbindung mit Griechenland und dem
Orient, durch Schwächung der Macht des Adels und Emporkommen
eines kräftigen Mittelstandes, sowie durch den lebendigen Verkehr
mit den andern Europäischen Völkern einen wohlthätigen Einfluß,
pbschvu auch über das deutsche Vaterland in dieser Zeit die Herrschaft
der Päbste sich noch mit größerer Ge walt, als früher ausbreitete.
Unterdessen hatte Rudolph 1. von Habsburg (1272 —91)
den deutschen Thron bestiegen, mit kräftiger Hand die Ord-
nung in seinem über 10,000 Omeilen umfassenden Reiche be-
fördernd, die nach ihm gegen fremde Eingriffe in die Königs-
wahl durch Abschluß des Kurvereins ( 1338) und die goldene
Bulle (1356) gesichert wurde. Hiernach wählten sieben Kur-
fürsten (von Mainz, Trier, Köln, Böhmen, Pfalz, Sachsen
und Brandenburg) den deutschen König. 11m dieselbe Zeit be-
gann ein regeres geistiges und wissenschaftliches Leben, getragen
und gefördert durch die nengegründetcn Universitäten, im Lande
sich zu entfalten, welches in dem folgenden Jahrhunderte, wäh-