1834 -
Königsberg
: Bornträger
- Autor: Nösselt, Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Töchterschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Das Kaiser thum Brasilien.
427
Schatten, an kühlen Felsenquellen überfallt den erhitzten Wan-
derer eine plötzliche Kälte, die aber dem Nordländer sehr behag-
lich ist. Mit 'jedem Schritte findet hier der Europäer etwas
Neues. Die kolossalen Stämme dieser Wälder sind so hoch, daß
die Flinten nicht bis zu ihren Gipfeln hinauftragen.
Das Klima kann in einem so weit ausgebreiteten Lande nicht
überall dasselbe sein. Der größte Theil liegt unter der heißen
Zone, der südlichste nur unter der südlich gemäßigten. Daher
hat es nur zwei Jahreszeiten, eine trockene und eine nasse. Aber
beide fallen nicht in allen Gegenden des großen Landes in diesel-
den Monate. Ueberall sind Tag und Nacht ziemlich einander
gleich. Im Durchschnitt fängt die Nacht schon um 7 Uhr an,
und vor 5 oder 6 Uhr geht die Sonne nicht auf. Aber die
Nächte sind meist äußerst erquickend, und die Sterne leuchten so
hell, daß man in beständiger Dämmerung ist. Kälte und rauhe
Luft findet man nur in den höheren Gegenden, wo selbst Hagel
und Schnee fallen.
Neben einer Menge von Nebenflüssen hat Brasilien drei große
Ströme: den Marannon, der Brasilien fast ganz angehört,
der Rio de la Plata (oder eigentlich Parana), der nur sei-
nem obern Laufe nach hierher gehört, und der San Franzisko,
der zwischen jenen beiden fließt. Alle drei sind Ströme, wie Europa
keinen ähnlichen aufzuweisen hat, und sie überschwemmen in der
Regenzeit das umliegende Land mehr oder weniger.
Wenn wir nun die Erzeugnisse dieses so unendlich fruchtba-
ren Landes angeben sollten, so befinden wir uns in Verlegenheit,
wo wir anfangen und wo wir endigen sollen. Brasilien enthält
einen solchen Reichthum aus allen drei Naturreichen, daß es
nicht möglich ist, selbst die vornehmsten Produkte in der Kürze
aufzuführen. Zuerst einige der hier am meisten vorkommenden
Thiere: Der Affen giebt es in den weiten Urwäldern so viele,
daß ihr Geschrei den Reisenden unablässig begleitet, man
sieht kleine und große, solche, die wie ein Vögelchen pfei-
fen, und solche, die mit lautem Gebrüll das Ohr betäuben.
Hier sieht man einen großen Affen von einem Baumgipfel zum
andern schreiten, und dort wiegt sich ein andrer an seinem lan-
gen Wickelschwanze hangend, in der Luft, während ein drittes
Aesfchen auf einem Baumaste liegt, und neugierig auf den Rei-
senden hinabschaut. Zwischen ihnen springen Eichhörnchen
von verschiedenen Farben von Ast zu Ast, während auf der Erde
Beutelthiere, Gürtelthiere, Ameisenfresser und
Murmelthiere herumkriechen. An und in den Flüssen hausen
große Tapire, deren Fleisch von den Wilden sehr gern gegessen
wird. Faulthiere sieht man oft an den Baumstämmen
kleben. Vampyre stellen den Thieren nach, um ihnen das