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1. Theil 1 - S. 396

1829 - Königsberg : Bornträger
396 Helvetica oder die Schweiz. Fall des Neichenbachs. Noch jetzt ist meine Phantasie in so hef- tiger Arbeit, daß ich vielleicht noch eine Stunde Mühe haben werde, sie loszureißen, und in einige Ruhe zu bringen. Der Reichenbach entspringt auf einer der höchsten Alpen, womit das obere Haslithal eingefaßt ist, und nimmt in seinem Laufe alle Quellen der übrigen Alpen, und die Wasser aller Gletscher auf. Schon einige Stunden vor seinem Falle wird er eben so wüthend als die Lütschine, und wälzt Felsstücke und abgerissene Bäume, die von den steilen Abhängen der Berge in ihn hineinfallen, mit unwiderstehlicher Kraft fort. Beim Falle selbst bricht er zwischen 2 Felswänden in einer schiefen Richtung hervor, und stürzt sich in ein unsichtbares Felsenbecken, das die Natur selbst zu seiner Aufnahme hingearbeitet zu haben scheint. Aus diesem Becken reißt er sich wiederum mit einer solchen unglaublichen Kraft und Ge- schwindigkeit, mit einem so fürchterlichen Ungestüm und Reichthum von Wasser heraus, daß ich nicht begreifen kann, wie man die Vorzüge des Neichenbachs vor allen andern Wasserfällen bisher hat übersehen können. Freilich ist das Bette des Rheins viel breiter, und die ganze Masse seiner Wasser größer, als die des Neichenbachs, allein die Breite eines fallenden Wasserstroms trägt nur wenig zur Verstärkung des Eindrucks bei, und die größere Masse von Wasser ist beim Rhein mehr vertheilt, oder nirgends so zusammengedrängt, als beim Neichenbach. Den Fall des letz- tern hört man in der Entfernung von mehr als einer Stunde ganz deutlich, und fast in eben der Entfernung kann man den Stoß einer jeden herabschießenden Welle oder Wassersäule, und die furchtbaren Schläge der Felsstücke hören, die mit den Wellen in das Becken, und aus diesem an die nahen Felswände geworfen werden. In der Nähe ist sein Brüllen stärker, als das des hef- tigsten Donners, und so angreifend, daß man gewiß in wenigen Minuten ganz betäubt werden würde. Er erregt durch seinen Sturz einen eben so heftigen Luftstrom, als wir den Tag vorher an der Mündung des untern Grindelwaldgletschers empfunden hatten. Wir mußten einige Male alle unsere Kräfte zusammen nehmen, um uns gegen die Anfälle dieses Sturmwindes zu er- halten, der bald durchdringend kalt, bald aber so heiß war, daß man hätte ersticken mögen. Der Reichenbach wirft nicht bloß Welle über Welle her, sondern ehe noch die erste den Abgrund erreicht, stürzt eine 2te, Ztc, 4te hervor, und reißt alle diejenigen, über welche sie sich herwälzt, und mit denen sie eine einzige ungeheure Säule bildet, mit zerstörender Kraft in die gräßliche Tiefe hinab. Fast jede herabschießende Fluth oder Welle spritzt nach allen Seiten und Richtungen milchweiße Ströme mit einer Heftigkeit aus, als wenn sie durch den Druck einer gewaltigen Maschine hcrvorgctrie- den würden. Die Höhe des Falls läßt sich nicht gut bestimmen, weil der Abgrund, in welchem der Dach sich verliert, stets mit
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