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1. Theil 2 - S. 311

1830 - Königsberg : Bornträger
Das Königreich Spanien. 31t Krankheit Einhakt zu thun, so trugen jene doch wenigstens den Charakter der Vernunftmäßigkeit. So verfährt man in Spanien nicht immer, sondern nimmt zu den abergläubischsten Mitteln oft seine Zuflucht. Als vor fast 30 Jahren in Sevilla das gelbe Fie, der ausbrach, suchte man es zuerst durch ein neuntägigcö Gebet zu beschwören, das in der Hauptkirche gehalten wurde, indem 40 Männer die Bußpsalmen sangen, Da das nichts half, beschloß die hohe Obrigkeit, ein anderes Mittel anzuwenden. Ein Stück Holz, das die ehrlichen Leute für ein Stück vom Kreuze des Er- lösers halten, und das in der Domkirche heilig verwahrt wird, wurde in feierlicher Prozession nach dem höchsten Thurme der Stadt getragen, und ganz oben befestigt, damit cs durch seine Erscheinung die böse Luft vertreibe. Die ganze Bevölkerung strömte herbei, und lag, zu ihm emporblickend, auf den Knien. Und der Erfolg? Er war so, wie er immer ist, wenn der Mensch, statt im Vertrauen auf Gott seine Vernunft zu gebrauchen, aber- gläubische Mittel anwendet. Das Gift der Krankheit war durch das Zusammendrängen der Menschen bei der Prozession noch mehr verbreitet worden, und nach wenigen Tagen schon war fast keine Familie mehr verschont. Sevilla ist vorzugsweise reich an Klöstern. Der Nonnenklö- ster allein giebt es hier 29, und da die Nonnen, welche einmal Profeß gethan haben, nie wieder ins Leben zurücktreten können, so ist die Lage der Unglücklichen, die den einmal gethanen Schritt nachmals bereuen, wahrhaft verzweiflungsvoll; denn das ganze Leben müssen sie zwischen den öden Klostermauern vertrauern. Man sollte es für unmöglich halten, daß ein junges Mädchen von 16 Jahren sich entschließen könnte, ihr ganzes übriges Leben so hinzuopfern. Aber von Kindheit auf wird ihnen vorgeredet, wel- ches große Verdienst es sey, sich — wie sie es nennen — Gott ganz zu weihen; nur dadurch können sie Gott ihren Dank bezeu- gen, und einst im Himmel die höchste Stufe der Seligkeit errei- chen. Merkt nun der Beichtvater, daß das Mädchen den leisesten Wunsch hat, den Schleier zu nehmen, so läßt er sie nicht mehr zur Besinnung kommen, und bestürmt sie so lange, bis sie ein- willigt. Die Eltern, die allerdings vor dem Entschlüsse der Toch- ter erschrecken mögen, wagen nicht, sich — wie sie meinen — zwischen Gott und die Tochter zu stellen, und dem Himmel eine Braut zu rauben. Um nun recht viele anzulocken, wird die Ein- kleidung einer Nonne mit großer Feierlichkeit begangen. Sobald das Mädchen das Kloster bestimmt hat, in das sie treten will, so wird sie von den Klosternonnen wie eine Braut angeredet, und mit der größten Auszeichnung behandelt. Für den Tag ihrer Ein- kleidung werden die festlichsten Zubereitungen gemacht. Man klei- det sie prächtig an, behängt sie mit allen Kostbarkeiten, welche die Familie besitzt, nimmt so von ihren Freundinnen, welche ih-
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