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1. Theil 2 - S. 315

1830 - Königsberg : Bornträger
Das Königreich Spanien. 315 waren voll Männer, die bei der geringsten wirklichen oder einge- bildeten Veranlassung sogleich ihre Messer gezogen hätten; aber wir betrugen uns fein artig, sahen mit Wohlgefallen ihren Pos- sen zu, hielten uns in einer höchst ebrerbietigen Entfernung, und so entließ man uns ohne die geringste Spur von Rohheit oder Grobheit." Mordthaten kommen im Carneval häufiger vor als sonst; in Sevilla rechnet man bei jedem öffentlichen Feste 2— 3 gefährliche oder gar tödtliche Verwundungen. Denn bei der klein- sten Veranlassung zieht der reizbare Spanier sogleich sein Messer, um es seinem Gegner in den Leib zu stoßen. Die Carnevalslust der mittleren Stände besteht darin, daß man andere, die darauf unvorbereitet sind, neckt; z. B. man schleudert Eierschalen voll zerstoßner Steinchen an den Kopf, oder man bewirft die Da- men mit Zuckerplätzchen, und wird dafür von ihnen mit Was- ser bespritzt. Die höheren Stände endlich pflegen denen, wel- che ihre Tertulia's besuchen, einen Ball und ein Abendessen zu geben. Darin besteht die ganze Lust, wahrend sich in Italien alle Stände froh durch einander mischen, und eine Menge geistreicher Scherze treiben. Dafür sind in Spanien, und namentlich in Se- villa, die kirchlichen Feierlichkeiten, besonders die in der Charwo- che, desto mehr darauf berechnet, das Auge und die Phantasie des Spaniers zu ergötzen, wie wir schon oben erzählt haben. Nur fehlt bei den letzteren aller Geschmack und alle kirchliche Würde. Unter den Gebäuden in Sevilla zeichnet sich besonders der alte, große Dom aus. Von der Menge der Altäre — es sind ihrer 82 — kann man auf seine Größe schließen. Was ihm aber in den Augen der Spanier den größten Werth giebt, sind die Re- liquien, die er aufbewahrt, und die bei der Prozession des Frohn- leichnamstages herumgetragen werden. Wir wollen sie hier nen- nen , um einen Begriff von dem Aberglauben dieses Volks zu ge- den: i) ein Zahn vom St. Christoph; 2) ein Becher von Achat, dessen sich der Papst, der unmittelbar auf den heiligen Petrus folgte, bei der Messe bedient hat. (Damals aber gab es weder Päpste noch Messen); Z) ein Arm vom St. Bartholomäus; 4) ein Kopf einer der 10,000 Jungfrauen; 5) ein Theil des Körpers des heiligen Peter; 6) desgleichen vom heiligen Lorenz; 7) des- gleichen vom heiligen Blasius; 8) die Knochen des heiligen Se- ver und des heiligen Germain; 9) desgleichen vom St. Floren, tius ; 10) ein Dorn aus des Heilands Krone; 11) ein Stück vom wirklichen Kreuze. Bei dieser Gelegenheit noch einiges über die abergläubischen Gewohnheiten der Spanier: Wenn jemand krank ist, so begiebt er sich, wenn er sich irgend noch fortschleppen kann, nach dem Bilde der Jungfrau der Gesundheit, das mitten in einer der Hauptkirchcn der Stadt sich befindet. Dieses Bild beschenkt er nach seinen Vermögcnsumständen, und erhalt dafür zur Vergel-
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