1830 -
Hannover
: Hahn
- Autor: Volger, Wilhelm Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Landschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde
36 Deutschland.
Franzosen, (5oo,ooo) leben in Deutschland, theils in den Granzlan-
dern jenseits des Rheins, theils in anderen Gegenden entweder zerstreut,
oder ln ganzen Gemeinden, vorzüglich in Preußen, Hessen und Hanno-
ver; letztere sind nämlich die Nachkommen der Flüchtlinge, welche, weil
sie Protestanten waren, »685 von den damaligen Könige von Frankreich,
Ludwig Xiv vertrieben wurden und die uns zuerst Neigung zu Franzö-
sischer Mode und Sprache beigebracht haben. Die Französiiche Sprache
ist jetzt in ihren Gemeinden fast ausgestorben. Juden sind ziemlich zahl-
reich, etwa 5vo,ooo. In S. Deutschland wohnen schon viele Italiener,
(gegen 200,000) so wie in den Seestädten sich Menschen von allen Eu-
ropäischen Nationen finden. Griechen und Armenier wohnen in S. O.,
Zigeuner zerstreuet allethalben.
§. 55. Die Deutschen gehören jetzt zu den gebildetesten Völkern der
Erde; wir kennen aber aus die Geschichte der Zeit, wo sie fast noch
Wilde waren. Zur Zeit Christi wollten die damals so mächtigen Römer
Deutschland erobern, aber sie fanden ein muthiges, freiheitsliebendes und
tapferes Volk, roh, ohne Städte, Handwerke, Künste und Wissenschaften,
abgehärtet gegen alle Beschwerden, welche das damals viel rauhere
Klima mit sich brachte, in Felle gehüllt, meist von der Jagd lebend,
mit Lanzen und Keulen bewaffnet, mit höchst rohen Begriffen vom gött-
lichen Wesen, ehrlich und offen, dabei aber dem Spiele und Trünke er-
geben, im steten Kampfe unter einander, kurz ein Volk, wie wir cs in
einem dem alten Deutschland sehr ähnlichen Lande, im heutigen Nord-
Amerika in den dortigen Indianern wiederfinden. Rhein und Donau
blieben so ziemlich die Gränzen, welche die Deutschen (Germanen von
den Römern genannt) gegen die Römer mit Nachdruck nicht allein lange
vertheidigten, sondern vom dritten bis sechsten Jahrhunderte nach Chri-
stus sogar überschritten, um Einfälle in das Römische Reich zu thun.
Ganze Stämme zogen mit Weib und Kind, in dieser Zeit, die man
die Völkerwanderung zu nennen pflegt, nach den fruchtbareren und
freundlicheren Landern S. Europas, theils von anderen Völkerschaften
vertrieben, theils aus eigener Lust. So zogen Franken nach Gallien,
was davon den Namen Frankreich bekam, Gothen und Sueven nach
Italien und Spanien, Vandalen nach Spanien, sogar nach Afrika,
Longobarden nach Italien, wo die Lombardei nach ihnen benannt ist,
Sachsen und Angeln nach Britannien, dessen Namen nach den letz-
tcrn in Angelnland, England umgewandelt wurde. Nicht aus dem
heutigen Deutschland allein kamen diese und andere Völker, welche
sich mit den S. der von ihnen besetzten Lander vermischten, größtentheils
deren Sprache annahmen, und die Stammvater der jetzigen Franzosen,
Engländer, Spanier, Portugiesen und Italiener geworden sind, sondern
auch im heutigen Ungarn, Polen, Rußland, und in ganz N. Europa
wohnten Deutsche (Germanische) Stämme, die von den von Asien her
eindringenden Slaven zum Theil auf die W. und S. Lander Europas