1830 -
Hannover
: Hahn
- Autor: Volger, Wilhelm Friedrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Landschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Landschule, Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde
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Amerika.
sten Feinden nahen, ohne daß es denselben einfällt, ihn anzugreifen.
Schiel en sich die-verschiedenen Stamme Gesandte einander zu, um ei-
nen Vertrag zu schließen, so führen diese die Friedenspfeife bei sich und
sind so der besten Aufnahme gewiß. Bevor das Geschäft angefangen
wird, stopft man die Pfeife und Jeder der Anwesenden thut einige Züge
daraus; dies ist die heiligste Bekräftigung, die bei allen wichtigen Ge-
legenheiten angewendet wird. Merkwürdig sind uns diese Wilden durch
ihre Rorperkrafr, Gesundheit, Behendigkeit und Schärfe der Sinne,
nicht weniger aber auch durch ihren gesunden, natürlichen Verstand,
den sie in allen Unterhandlungen mit einander und mit Europäern zei,
g>:n. Sie sind gastfrei, wie die Morgenlander, aber die fürchterliche
Sitte der Blutrache ist ihnen leider auch nicht unbekannt. Sie leben
unter einander sehr vertraglich, so lange ihre Ehre nicht gekrankt ist; die
Beleidigung derselben vergiebt der N- Amerikanische Wilde nicht. So
gutmüthig und einträchtig sie sonst sind, so wild und unbändig werden
sie, wenn sie hitzige Getränke genossen haben, und nach Branntewein
sind sie nur gar zu begierig. Sie verkaufen Haab und Gut um sich ei-
nen Rausch in Branntewein zeugen zu können. Die Europäischen Pelz-
händler wissen ihnen vorzüglich dadurch die kostbarsten Felle abzulocken.
«So» einer eigentlichen Religion dieser Wilden kann wohl nicht gut die
Rede sein. Sie glauben aber an ein höchstes geistiges Wesen, welches
sie den großen Geist, den 'Zerrn des Gebens nennen, für sehr gütig
halten und verehren. Ihrem gesunden Menschenverstände ist es zuzu-
schreiben, daß sie nicht so einfältige Dinge von demselben erzählen, wie
andere rohe Völker von ihren Göttern. Außerdem glauben sie aber
auch, daß böse Geister Einfluß auf das menschliche Leben haben, und
daß jeder Mensch einen Schutzgeist hat, der in Bäumen, Thieren und
anderen Gegenständen wohnen soll und dem man Opfer bringt. Eben
deshalb giebt es hier auch Priester, die zugleich Zauberer und Aerzte
sind. Der Glaube an eine Fortdauer nach dem Tode ist allgemein. In
besonderer Achtung stehen die Träume, die sie für Eingebungen der Gei-
ster halten und treulich befolgen; ja es herrscht sogar die Sitte unter
ihnen, daß Niemand einem Andern Etwas abschlägt, wovon dieser ge-
träumt hat. Gräßlich ist die Sitte der meisten Indianer, alte hülflvse
oder verstümmelte Menschen, oder schwächliche Kinder zu ermorden, da
diese zu ihrer rauhen und mühvollen Lebensart nicht taugen; denn wer
das ungestümste Wetter, die Beschwerden weiter Tagereisen und an-
strengender Jagden, Hunger und Durst nicht ertragen kann, muß nicht
zu ihnen ziehen; diejenigen welche alt und schwach werden, bitten daher
ihre Söhne oder Freunde sie zu todten, und diese erzeigen ihnen auch
willig diesen Liebesdienst. Das herumstreifende Leben hat diesen Wilden
auch den geringsten Zwang so unerträglich gemacht, daß sie jede Be-
schränkung der Freiheit hassen. Jeder Stamm hat zwar ein selbstge-
wsthltes Oberhaupt, aber dieses ist nichts weiter, als der Vorsitzer (Prä-
sident)