1858 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Schurig, Gottlob, Bock, Eduard
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Brandenburg, Hohenzollern, Pommern, Posen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Blicke in die Vergangenheit Pommerns.
als die Bombe sprang, und rief aus: „Wenn das so fortgeht, so
werden wir doch noch müssen zu Kreuz kriechen." Da entgegnete
Nettelb eck zornentbrannt: „Halt! Der Erste, wer es auch sei, der
das verdammte Wort wieder ausspricht, der stirbt des Todes von
meiner Hand!" Zugleich zog er den Degen und richtete ihn gegen
Loucadou. Dieser zog gleichfalls und wollte den verwegenen Bür-
ger niederstechen. Die Umstehenden brachten die Beiden zwar aus-
einander, doch der Kommandant wollte seinen Beleidiger vor ein
Kriegsgericht stellen und zum Tode verurtheilen lassen. Der Unwille
seiner Offiziere und eine drohende Aufregung unter den Bürgern hin-
derten ihn aber daran. — Der geängstigte Nettelbeck, als ersah,
wie der alte, unfähige Kommandant Alles vernachlässigte, schrieb an
den König und bat dringend um einen andern Kommandanten. Da
kam denn der tapfere Gn ei sen au, und Nettelb eck sank vor Rüh-
rung vor ihm auf's Knie und sprach: „Ich bitte Sie um Gottes
willen, verlassen Sie uns nicht, wir wollen Sie auch nicht verlassen,
so lange wir noch einen warmen Blutstropfen in uns haben, sollten
auch alle unsere Häuser zu Schutthaufen werden. So-denke ich nicht
allein; in uns Allen lebt nur ein Sinn und Gedanke: Die Stadt
darf und soll dem Feinde nicht übergeben werden!" —Zwei Mal
geleitete der muthige Mann bülfebringende Schiffe durch Sturm und
Brandung sicher in den Hafen, trotz augenscheinlicher Lebensgefahr.
Der wackere Vaterlandsfreund ward nicht müde, die Trägen zu thäti-
ger Mithülfe anzuregen, auch wenn er dafür Grobheiten, ja selbst
Mißhandlungen erdulden mußte. So ist Nettelb eck das nach-
ahmungswerthe Vorbild des ächt preußischen Bürgers voll Vater-
landsliebe, Muth und freimüthiger Offenheit.
5. Nicht geringern Ruhm hat vor Zeiten Stettin errungen.
Als der große Kurfürst die Schweden 1675 bei Fehrbellin in der
Mark Brandenburg besiegt halte, gedachte er bei dieser Gelegenheit
sein Recht auf Pommern durchzusetzen, welches ihm im westphälischen
Frieden verkürzt worden war. Wolgast, Wollin, Anklam und Dem-
min mußten sich ergeben. Aber vergebens belagerte er Stettin.
Dieses war stark befestigt, und die Bürgerschaft war freudig bereit,
mit der tapfern schwedischen Besatzung zu siegen oder zu sterben.
Tag für Tag sausten glühende Kugeln, Bomben und Granaten,
Stinksäcke, Stinktöpfe und all' das andere Zeug, was für den Krieg
ersonnen war, den Stettinern um die Köpfe. Eine grausame Zer-'
störung sah man bereits in den Straßen der Stadt, viele Familien
beweinten theure Glieder. Aber das beugte den Muth der Tapfern
nicht. Oft warfen die Belagerten frisch gebackene Semmeln den
Brandenburgern zu, zum Zeichen, daß bei ihnen keine Noth sei.
Lose Vögel hängten an einem Thurme das Bild eines Schneiders
mit Scheere und Elle aus, um den alten Derfflinger, einen
General des Kurfürsten, der früher Schneider gewesen war, zu
foppen. Und als bei zunehmender Bedrängniß der Stadt günstige