1858 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Schurig, Gottlob, Bock, Eduard
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Brandenburg, Hohenzollern, Pommern, Posen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Die Mulde.
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zogen werden. Nach Annaburg führt die große Haide ihren Namen,
die sich dort ausbreitet. Sie enthält großentheils Tannen- und
Kiefernwaldung, und nur hin und wieder trifft man Laubholz. Sie
ist auch an Bienenzucht reich.
4. Die Mulde.
Die Mulde kommt aus dem Königreiche Sachsen und ist aus
zwei Flüffen gleiches Namens, aus der Zwickau er und Freiber-
ger Mulde, die sich bei der sächsischen Stadt Kolditz vereinigen,
entstanden. Da sie zwischen der Elbe und Saale fließt, hat sie
wenig Zuflüffe; aber ihr Lauf ist schnell und rauschend; sie geht nach
der Vereinigung der beiden Quellflüffe meist durch ebene Gegenden.
Bei Eilenburg tritt sie in die Provinz ein.
Auf der rechten Seite der Mulde schließt sich Haide an Haide;
bei Düben beginnt die große Dübener Haide, aus welcher Delitzsch,
Leipzig und andere Städte meistens ihr Brennholz beziehen. In
dieser Haide arbeiten gewöhnlich vom Frühjahr bis zum Herbste die
sogenannten Muldenhauer, Leute, • welche aus der Gegend von
Königssee im Thüringer Walde jährlich hieher kommen, um sich
ihr Brot zu erwerben. Jeder dieser Leute führt auf einem Schub-
karren seine geringen Bedürfnisse, Haushalt und Hausgeräth sammt
Werkzeug, mit sich, fährt in das Holz hinein, baut sich eine Hütte
und verfertigt mit großer Geschicklichkeit und Schnelligkeit Backtröge,
Mulden, Schaufeln, Karren, Leitern und andere hölzerne Geräthe.
Wenn sie im Oktober wieder hcimziehen, haben sie kaum so viel
verdient, um sich und die Ihrigen den Winter hindurch ernähren zu
können. Auf den dürftigen Feldern können nur Roggen, Haidekorn,
Kartoffeln, Gerste und Hafer gebaut werden.
So zieht sich die Gegend über Gräsenhainichen hinaus bis nach
Wittenberg hin. In Gräsenhainichen wurde i. I. 1606 oder
1607 Paul Gerhard, der Dichter von: „Befiehl du deine Wege"
und vieler anderen Lieder, die wir in unseren Gesangbüchern heute
noch haben, geboren. Die Waldungen bestehen meist aus Nadel-
hölzern, doch findet man auch viele Eichen, Buchen, Rüstern, Birken,
Eschen und Erlen. Mit dem Bau-, Nutz- und Brennholz, den
Brettern und Latten wird bedeutender Handel in's Anhaltische, nach
Magdeburg, ja bis nach Hamburg hin getrieben. Auf beiden Seiten
der Mulde breiten sich weite Moor- und Snmpfstrecken aus, in
denen viel Torf gestochen wird. Nach Delitzsch und Bitter selb
hin ist der Boden sehr fruchtbar; da wechseln Oelsaaten mit Weizen
und Flachsfeldern; Tabak, Gemüse, Zuckerrüben werden vielfach an-
gebaut und auch Färbekräuter, als Krapp und Waid, werden hier
gezogen. In Delitzsch sind seit alten Zeiten viele Strumpfwaaren
gefertigt worden. Darum heißt es in einem Liede: „Delitzsch, die
Strumpfstrickerstadt, wird das Stricken gar nicht satt."