1858 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Schurig, Gottlob, Bock, Eduard
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Schulformen (OPAC): Volksschule
- Regionen (OPAC): Brandenburg, Hohenzollern, Pommern, Posen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): koedukativ
26
Blicke in die Vergangenheit der Provinz Posen.
7. Von -rn bürgerlichen Verhältnissen nach polnischem Herkommen.
Die Rechte des Fürsten waren im polnischen Reiche sehr umfang-
reich. Er war im Besitze der gesammten Gerichtsbarkeit, d. h. er
allein hatte Recht zu sprechen in sämmtlichen Angelegenheiten seiner
Unterthanen. Dies ließ er durch seine Beamten, als: Kastellane oder
Burggrafen, Vögte und andere, verrichten. Sämmtliche Strafgefälle,
welche eingezogen wurden, fielen dem Fürsten zu. Er erhob Steuern
an Geld oder Getreide und hatte eine große Menge Regalien. Dazu
gehörte: das Münzrecht, der Ertrag der Gold- und Silberbergwerke,
der Salzverkauf, die Benutzung der Flüsse, Teiche und Forsten, die
Jagd, die Erhebung von Zöllen, die Errichtung von Märkten und
Städten, das Recht, Schankhäuser oder Krüge anzulegen, Fleisch-,
Brot- und Schuhbänke zu errichten (d. h. die Erlaubniß zu Ver-
kaufsstätten für Fleischer, Bäcker und Schuhmacher zu ertheilen).
Den Unterthanen waren schwere Lasten aufgebürdet. Die Kirche
forderte den Decem (Zehnten), der Papst den Peterspfennig. Sie
hatten Steuern zu entrichten unter verschiedenen Namen, mußten
Honig, Getreide, Schafe, Kühe u. dgl. liefern, die herrschaftlichen
Burgen und die Brücken bauen, die Burgen bewachen, den Acker des
Grundherrn bestellen, Gras und Korn mähen, die Ernte einbringen,
dem Fürsten und seinen Beamten Vorspann geben und Fuhren thun;
bei den häufigen Jagden mußten sie den Jägern und Vogelstellern
zur Hand gehen, für den Unterhalt derselben sorgen, die Jagdhunde
füttern und das Futter für die Pferde herbeischaffen. Ferner waren
sie verpflichtet, die Nester der Falken und die Baue der Biber zu be-
wachen; Vernachlässigungen dabei mußten sie durch ein bestimmtes
Strafgeld büßen. Noch drückender, als alle der Herrschaft zu lei-
stenden Dienste waren die Plackereien, welche sie von Seiten der Be-
amten erfuhren; denn die kleinen Herren sind gewöhnlich viel schlim-
mer, als die großen. In ihrem Uebermuthe erlaubten sich diese Alles
gegen den armen Mann. Ihm das Pferd aus dem Stalle zu neh-
men oder vom Pfluge auszuspannen, aufzusitzen, davon zu eilen, es
halb zu Tode zu jagen, oder es auch wohl gar nicht wiederzubringen
— das war nichts Seltenes. Zwar erließen die Fürsten wiederholt
strenge Befehle gegen solchen Mißbrauch der Gewalt, aber sie wur-
den wenig beachtet, und der arme Mann fand, wenn er Hülse suchte,
selten Recht.
8. Polen unter den Iagellonen.
Auch Jagello mußte, um seinem Sohne Wladislaw Iii. die Nach-
folge zu sichern, dem Adel neue Vorrechte gewähren, namentlich ver-
sprechen, daß die geistlichen und weltlichen Würden unverändert blei-
den müßten. Wladislaw wurde später auch König von Ungarn.
Als solcher brach er nach des Papstes Rath den mit den Türken ge-
schlossenen Frieden. Siegsgewiß, im Verein mit Johannes Hunyad,
dem tapfern Woywoden von Siebenbürgen, drang er in die Türkei