1852 -
Jena
: Döbereiner und Schreiber
- Autor: Billig, Gustav
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule, Volksschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Volksschule, Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Marsch „alte Land" aus, dessen Bewohner sich vom Garten-,
Feldbau, Viehzucht und Schifffahrt nähren. Hauptflecken da-
rin sind Estebrügge und Jork. Eine eben so große und reich
angebaute Marsch ist die von Kehdingen mit dem Hauptflecken
Freiburg. Sie liegt nördlich von Stade. Westlich von der
Oste liegt das sechs Meilen große Land Hadeln, was nur
durch Teiche gegen Überschwemmung gesichert ist. Haupt-
städtchen darin ist Otterndorf mit 2000 Seelen, s Stunde
vom Elb-Deiche. Dieser Elbdeich von 40' Höhe mit \ Stunde
breiten Außen - Deichen, woran sich die Wellen brechen, ehe
sie den Hauptdamm erreichen, kostet jährlich an 50,000 Thlr.
Von Otterndorf stammte Meiners und daselbst war der
Dichter Voß vom Jahre 1778 — 82 Rector und begann da-
selbst seine kunstvolle Übersetzung des Homer. Aus dieser
Gegend stammt ursprünglich die Familie des Geschichtsfor-
schers Riebuhr und der ausgezeichnete Physiker und Astro-
nom H. W. Brandes. Eine Schwester Hadelns ist das
gleich fruchtbare Marschländchen Wursten, was ebenfalls
von friesischen Abkömmlingen bewohnt wird. Beide Ländchen
sind der Lüneburger Haide gegenüber betrachtet goldne Auen.
Diese Marschstriche taugten anfangs, ehe sie entwässert und ge-
gen das Meer durch Dämme geschützt waren, nur zum Theil
zu Viehweiden. Im 12. Jahrh, kamen holländische Ansiedler,
und ihre Mühe wurde bald mit üppiger Ergiebigkeit gelohnt.
Die Natur des Landes erfreut freilich, den erhabenen Anblick
des Meeres abgerechnet, nicht das menschliche Auge, doch
in der schweren und feuchten Luft gedeihen Menschen und Thiere
vortrefflich. Die Pferde sind stark, groß und dauerhaft, die
Kühe geben bei dem kräftigen Graswuchse fette Milch und
vortreffliche Butter. Der Körperbau der Bewohner ist statt-
lich und trotz Speck, Klößen, Pöckel- und Rauchfleisch sind
sie doch nicht schwerfällig, sondern munter und aufgeweckt.
Die Wohnungen liegen hier wie an der friesländischen Küste
nicht in engen Dörfern zusammen, sondern im Lande zerstreut
umher. Die Marschen sind nicht sehr bevölkert. Bauern-
höfe von 2 bis 6 Pferden, die Kötherhöfe heißen, gibt es
wenige, der schwer zu bestellende Boden gehört fast lauter
großen Höfen von 10, 20, 30 Pferden zu, um welche sich
Beisassen oder Meier niedergelayen haben. Jedes Gehöft
eines Bauern ist mit einem breiten, tiefen, von Weiden meist
bepflanzten Graben umgeben, und draußen liegen die Lände-
reien des Besitzers umher. Die stattlichen Bauernhöfe sind der
Seestürme und der heftigen Regengüsse wegen mit Stroh ge-
deckt, sie bergen in ihrem Innern aber oft einen gediegenen
Hausrath an kostbaren Schränken, an feinem Porzellan und
an silbernen Thee- und Kaffeegeschirren. Sütlich davon liegt