1846 -
Aachen
: Benrath
- Autor: Kaltenbach, Johann Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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die, müde und erschöpft, sich zum kurzen Schlafe auf ganz schmale
vorspringende Felsenkämme lehnen, so daß sie mit den Beinen
rechts und links über furchtbare Abgründe herabhängen. Bis zu
gewissen Stellen fühlt man sich durch Steigen weniger ermüdet,
als beim Gehen auf einer Ebene; die reine Luft dehnt die Brust
aus. Bald stellen sich jedoch Beklemmungen ein, und die Kälte
wird schon so stechend, daß man schaudert; nichts schützt, als be-
schleunigtes Gehen, aber bei weite»! nicht überall ist dieß mög-
lich. Hin und wieder sind die Windstöße so heftig, daß die Berg-
steiger, um nicht fortgerissen zu werden, sich der Länge nach aus-
strecken müssen. — Mit zunehmender Lnftdünne wird das Athmen
beschwerlicher, der Blutlaus in dem Grade aufgeregt, daß nicht
selten eine Art Fieber-Zustand eintritt. Zuñí schwierigen Athnien,
zum beschleunigten Pulse gesellen sich Herzklopfen, unauslösch-
barer starker Durst, der, je höher man steigt, immer unerträglicher
wird. Nicht so quälend ist in der Regel der Hunger; obwohl man
das Bedürfniß fühlt, etwas genießen zu müssen, so können den-
noch auf dem Gipfel nur Wenige essen; selbst Führer pflegen bloß
ausnahmsweise Nahrung zu sich zu nehmen. Mit jedem Schritte
höher aufwärts werden alle diese Beschwerden und Leiden heftiger,
und dazu gesellen sich bei diesem oder jenem Bergsteiger starker
Kopfschmerz, blutiges Unterlaufen der sehr angegriffenen Augen,
auch Bluten ans Nase und Mund. Endlich tritt gänzliche Ermü-
dung ein, Abspannung des Körpers im Allgemeinen, besonders
schmerzhafte Gefühle in Schenkelniuskeln und Knieen. Die Füße
sind so schwach, daß man sich kaum zu bewegen vermag. Immer
größer wird die Anstrengung. Fast mit jedem Schritte sinken die
Wanderer in Schnee. Nur höchst mühsam vermögen sie noch ein
Wort hervorzubringen, und bei Mauchen wird es nothwendig,
daß sie, um reden zu können, den Mund mit etwas Schnee er-
frischen. Uebrigens kennt uian Stelle», wo es gefährlich wäre,
nur einen Laut von sich zu gebeu ; durch leichtes Luftzittern, können
in der Höhe Schueestückchen losgerissen und ini Fallen zur Lavine
werden. Die Lippen der Bergfahrer färben sich oft blau; ihre
Augen sinken ein; das Gesicht erblaßt mehr und niehr. Von zwan-
zig zu zwanzig, oft schon nach fünfzehn Schritten niuß man ru-
hen. Muthlos setzen sich die Wanderer auf Schnee nieder, um für
Augenblicke Erholung zu sinden. Selbst bei Sonnenschein herrscht