1857 -
Leipzig
: Klinkhardt
- Autor: Berthelt, August, Jäkel, Julius, Petermann, Karl
- Hrsg.: ,
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Selbstunterricht
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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sich aber der Leser die Erde kugelförmig denken oder anzeichnen und
sehen, ob nun nicht alle jene Beobachtungen ihre ganz natürliche. Er-
klärung finden. Warum können wir aber nicht sofort, wenn wir uns
umschauen, die Kugelgestalt der Erde bemerken? Man vergesse nicht,
wie ungeheuer groß die Kugel ist, die wir unsere Erde nennen.
Die Unterlage der Erde. Gewiß hat Manchen schon die Frage be-
schäftigt, worauf denn die Erde eigentlich ruhe. Sreht sie auf einem dicken
Gemäuer oder auf Säulen oder aus sonst Etwas? Wenn sie auf irgend Et-
was stünde, so müßten doch wohl die Menschen, die ja überall, und nament-
lich in unserem Jahrhunderte, nach allen Richtungen die Erdkugel bereist haben,
einmal an diese Unterlage gekommen sein. Schon dieser Umstand, daß noch
nie Jemand eine solche Unterlage erblickt hat, läßt uns an ihrem Vorhanden-
sein zweifeln. Es ist aber auch ganz unmöglich, sich eine solche Unterlage zu
denken. Denn gesetzt, wir nehmen an, die Erde stünde auf Säulen, so würde
man doch gleich wieder fragen müssen, worauf stehen denn diese Säulen.
Und bei jeder Antwort, die uns Jemand ertheilte, würde man sofort immer
weiter fragen müssen und des Fragens würde kein Ende werden. Mithin ist
für uns eine Unterlage der Erde ganz undenkbar. Kurz die Erde ruht auf
Nichts. Sie schwebt frei als eine mächtig große Kugel, nur ge-
tragen von der unsichtbaren Hand des Allmächtigen, im unend-
lichen Weltenraume.
Oben und unten. Die Erde ist also eine große Kugel. Wer wohnt
nun aber oben, und welche Leute wohnen unten auf dieser Kugel? Wir wer-
den geneigt sein, für uns das Oben in Anspruch zu nehmen. Wer aber von
uns etwa nach London in England zieht, wird auch dort sprechen, er wohne
oben. Und wenn Einer nach Amerika gegangen ist und dort, also beinahe aus
der entgegengesetzten Seite der Erdkugel, seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat,
wird ebenfalls noch meinen, er sei oben auf der Erde. Wir wohnen also
überall oben, und alle Menschen wohnen oben, d. h. nicht unter, sondern auf
der Erde. Man kann genau genommen von einem Oben und Unten bei der
Erde gar nicht reden. Ja freilich, wenn wir eine Kugel in die Hand nehmen,
so nennen wir die nach der Erde zugekehrte Seite allerdings die untere. Die
Erde kann aber nicht gegen die Erde zugekehrt sein. Ueberall, wir mögen auf
der Erde stehen, wo wir wollen, so sehen wir, wenn wir die Augen aufwärts
richten, den Himmel über uns, und wenn wir sie abwärts richten, die Erde
zu unseren Füßen. Ueberall stehen wir mit den Füßen auf der Erde und mit
dem Haupte nach dem Himmel gerichtet. Der Himmel umgiebt ja die ganze
Erde wie eine große hohle Kugel. Auf der Erde giebt es mithin kein Oben
und kein Unten. Man müßte denn die nach der Sonne zugekehrte Seite der
Erde die obere nennen wollen, dann wären wir am Tage oben und des Nachts
unten.
Die Anziehungskraft der Erde. Diejenigen Leute, die sich von dem
Gedanken gar nicht loszureißen vermögen, daß es ein Oben und Unten geben
müsse, können sich auch nicht wundern genug, daß nicht von der entgegengesetz-
ten Seite der Erde Alles abfallen und in den Abgrund des Himmels stürzen
sollte. Wie kann aber von der Erde Etwas abfallen, wenn sie mit ihrer anziehen-
den Kraft*) Alles festhält! Alles wird nach der Erde zu gezogen. Wir mö-
gen einen Stein in die Höhe werfen, an welchem Orte der Erde wir wollen,
ihre anziehende Kraft wird ihn doch wieder zurückziehen; mit anderen Worten,
er wird zur Erde zurückfallen. Und wir selbst mögen auf der Erde stehen,
wo wir wollen, unser Fuß, unsere Hand, unsere Haare, unsere Kleider, Alles
wird nach der Erde, wie wir anders sagen, nach unten zu gezogen und fest-
gehalten werden. So lange demnach die Erde ihre anziehende Kraft behält,
brauchen wir nicht zu fürchten, daß nur ein Stäubchen von der Erde ver-
loren geht.
*) Siehe Naturlehre 2. Aufl. von A. Berthelt §. 9.