1834 -
Münster
: Deiter
- Autor: Annegarn, Josef
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Ostindien. 331
a. Freie Jndierstaaten.
a) Staat der Seiks.
Dieser Staat, der nördlichste in Vorderindien, stößt an Casch-
mir, und wurde durch die Seiks gegründet, welche anfangs
nur eine besondere Religionssecte der Hindu waren, die nur e>-
nen einzigen unsichtbaren Gott verehren, alle anderen Lehren
der Brahminen verwerfen, und also eigentlich Deisten sind. Ihr
Stifter ist Nan ec Schah aus der Cafte der Schettries, ge-
boren 1469. Er verkehrte früh mit Fakirs und Muhammeda-
nern, reifete pilgernd nach Mecca und Medina, und widmete
sich endlich bloß der Andacht: Sein Plan war, Muhammeda-
ner und Hindu durch eine einfache Religion zu vereinigen, und
deswegen pflegte er zu sagen: „Hunderttausend Muhammeds,
eine Million Brahmas und Wischnus stehen am Throne des
Allerhöchsten, sie sterben alle: Gott allein ist unsterblich. Der
allein ist ein guter Hindu, der gerecht, und der ein guter Mu-
hammedaner, dessen Leben rein ist." Nanec starb 1540 zu Kir-
taipur, welches deswegen den Seiks eine heilige Stadt ist;
man zeigt in seinem Dermensale (Tempel) dort den Pilgern noch
ein Stück von seiner Kleidung. Wahrend seines Lebens übte er
als Priester und Fürst die geistliche und weltliche Herrschaft über
seine Anhänger, die demüthig sich seine Seiks (Schüler) nann-
ten. Als die Jogis *) von ihm Zeichen und Wunder forder-
ten, antwortete er ihnen: „Ich besitze nichts, was des Zeigens
werth wäre; ein Lehrer des Heiligen hat nichts zu seiner Ver-
theidigung, als die Reinheit seiner Lehre. Die Welt kann sich
andern, aber der Schöpfer ist unwandelbar." Sterbend setzte er
zum Erben seiner Herrsaaft nicht einen seiner Söhne ein, son-
dern einen geliebten Schüler, Litzen a. Eine heilige Sage un-
ter^ den Seiks bestimmte nur zehn Nachfolger Nanec's in seiner
Würde. Unter diesen war Erdschun, der die Schriften Na-
nec's^sammelte, und den Adi Granth, das erste heilige Buch
der Seiks, herausgab. Nun erregte die neue Secte die Aufmerk-
samkeit des muhammedanischen Großmoguls, die Seiks wurden
verfolgt, und Erdschun starb des Martyrertodes. Da trat dessen
Sohn und Rachsolg/r, Har Gowind, als sein Racher auf,
rief die Seiks zu den Waffen für die Religion, und ein Kampf
der Verzweiflung entstand, in welchem die Seiks immer siegreich
hervorgingen, wenn auch zuweilen ihre Heere geschlagen wurden,
ihre Häupter auf dem Blutgerüste sterben mußten. Als Tag
B e h e d u n s hingerichtet war, ergriff sein Sohn Guru G o-
wind die Zügel der Herrschaft über die Seiks. Er vernichtete
die Absonderung der Hindu nach Casten, räumte dem untersten
Schudra gleiche Rechte mit dem ersten Brahminen ein, und zog
dadurch nicht bloß Hunderttausende von Hindu zu seiner Partei
über, sondern da er die Vernichtung der sie grausam versolgen-
') So nennt man die Fakirs, welche vorgeben
dis Wundergabe errungen ju haben.
durch Selbstpeinigungen