1. Bd. 1
- S. 70
1859 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
ein ansehnlicher Theil der (nördlichen) Italiener und ein geringerer der
Walachen hat einen deutschen, die Mehrzahl der letztern und ebenso be-
trächtliche Theile der Neu-Griechen und Albanesen einen türkischen
Oberherrn erhalten, während der Ueberrest beider letztgenannten Völk.r
neuerdings im griechischen Königreich vereinigt worden ist.
Den bei Weitem kräftigsten Individualisations-Drang, die mannich-
faltigsten und zahlreichsten politischen Gestaltungen zeigen drittens die
germanischen Völker; es ist sogar nicht zu läugnen, daß die damit
verknüpften, vielfältigen politischen Trennungen wenigstens dem äußeren
Geschick der Nationen dieses Völkerkreises keinesweges förderlich gewesen,
ihnen vielmehr einen großen Theil des Glanzes vorenthalten haben, der
denselben ohnedies bestimmt zu sein schien. — Allein die deutschen
Völker bilden gegenwärtig über 50 verschiedene, wenngleich in zwei
große Bundesgenossenschaften (die deutsche und schweizerische) vereinigte,
selbständige Staaten, von denen eben darum nur drei (Oesterreich,
Preußen und Holland) eine Welt-Bedeutung gewonnen haben; — die
skandinavischen gleichfalls drei gesonderte Monarchien (Schweden,
Norwegen, Dänemark); ungetheilt ist nur das Reich der Anglo-
Briten, welches eben deßwegen auch zu der größten Bedeutung ge-
diehen ist.
Die germanischen Staaten haben zugleich durch bedeutende Einver-
leibungen aus dem Kreise der benachbarten Nationen sehr an Macht
und Ansehen gewonnen; am wenigsten die skandinavischen, indem Schwe-
den und Norwegen nur finnische Colonieen und einen Theil der schwachen
lappischen Völkerschaft beherbergen, die Dänen aber, durch Aggregation
der Isländer, nur verwandtes Blut in sich aufgenommen haben; —
bedeutender sind die europäischen Einverleibungen der Anglo-Briten oder
Engländer, indem ihr Reich die drei insularen celtischen Völkerschaften
der Güten oder Hoch-Schotten, der Wül scheu oder Walliser und
der Iren oder Irelünder in sich aufgenommen hat; am bedeutendsten
endlich sind die in der Mitte des Continents und von allen seinen
historischen Frictionen am stärksten berührten Staaten deutscher Na-
tion, namentlich Oesterreich und Preußen, in dieser Beziehung und zwar
vornehmlich durch Einverleibungen aus dem slawischen Völkerkreise be-
reichert worden: denn Preußen hat nicht nur die schwachen sorbischen
oder wendischen Volksreste, sondern auch, wie Oesterreich, einen
ansehnlichen Theil der polnischen Stämme, Oesterreich außerdem
sämmtliche ezechische und — durch politischen Verband mit dem
Magyaren-Staat — auch die Mehrzahl der illyrisch-slawischen
Völkerschaften in sich aufgenommen. Ueberdies sind dieser Monarchie
zum größeren Theile die Nord-Italiener und ein Theil der Walachen
einverleibt worden.
Auf der anderen Seite haben aber auch unter den germanischen
Völkern die deutschen, durch Entfremdung einzelner ihrer Stämme und
Einverleibung derselben in die nachbarlichen Staaten der Franzosen und
Belgier, am meisten Einbuße erlitten, während Skandinavier und Briten,