1. Bd. 1
- S. 109
1859 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
29. Mittel-Griechenland (die eigentliche Hellas oder Livadien). 109
durch das Orakel des Trophonios, zu dem die Wißbegierigen in eine
tiefe, dunkle Grotte hinabstiegen, aus der sie mit einem düstern Ernste
zurückkehrten; Chäroueia, das Grab der griechischen Freiheit nach
den letzten ruhmvollen Anstrengungen des Gemeingeistes; Platää, die
Nebenbuhlerin von Theben, die treue Freundin von Athen und seine
Gehülfin in der Schlacht bei Marathon. Diesen der Freiheit geleisteten
Dienst belohnte das Schicksal, indem im zweiten persischen Kriege das
Heer des Mardonios vor den Mauern von Platää besiegt wurde, das
hiedurch eine unvergängliche Dauer erhielt, auch nachdem cs durch der
Thebaner wüthende Eifersucht bis auf die letzte Spur vernichtet war.
Südlich von Böotien zieht sich das schmale Megaris zwischen dem
korinthischen und sarouischen Meerbusen und Attika hin, zum Theil
von den skironischen Felsen eingefaßt, auf denen in alter Zeit mord-
lustige Räuber die vorbeiziehenden Wanderer quälten und verstümmel-
ten. In diesem gebirgigen Lande, vordem zu Attika gehörig oder ihm
Unterthan, ließen sich zur Zeit der heraklidischen Wanderung Dorer
nieder, die auch immer ihren Stammesgenossen ergeben blieben; daher
wir sie im peloponuesischen Kriege stets aus der Seite der Spartaner, und
von dem benachbarten Athen mit bitterem Hasse verfolgt sehen. So
groß war diese Erbitterung, daß eine Zeit lang jedem Megarer der
Tod drohte, welcher die Grenzen von Attika betrat. Dennoch schreckte
dieses Gebot den Eukleides nicht. In Weiberkleider gehüllt, kam er täg-
lich nach Athen, um aus dem Munde des Sokrates Lehren der Weis-
heit zu hören, und des Abends kehrte er eben so verlarvt nach Hause
zurück. In älteren Zeiten schickte Megara viele Pftauzvölker aus, nach
Sikelien und an die Küsten der nördlichen Meere; aber nach dem pc-
loponnesischen Kriege sank sein Ansehen, und nur ein leerer Stolz auf
den alten Ruhm blieb ihm noch. Als die Megaräer da einst das Ora-
kel fragten, welcher Staat von Griechenland der erste sei, lautete die
Antwort:
Aller Länder vortrefflichstes ist das pelasgische Argos.
Trefflich auch sind die Rosse der Thraker, die Weiber von Sparta.
Aber trefflicher sind noch die Männer, welche die Mitte
Zwischen Tirhns bewohnen und Arkas' weidenden Fluren,
Argos' linnengepanzcrte Schaar, die rüstigen Kämpfer.
Aber, o Megarer, ihr seid weder die Dritten noch Vierten,
Noch die Zwölften — in keinem Credit, noch geltendem Anschn.
Oestlich von Megaris, durch das Gebirge Kerat e (xch«r«) getrennt,
zieht sich das Dreieck von Attika*) in das ägäische Meer weit hinab,
an seiner äußersten Spitze von dem Borgebirge Sunion begrenzt, wo
der Tempel der Minerva Suuias den Ankommenden entgegenstrahlte.
Ein gebirgiges Land, im Norden von Böotien durch den Parnaß ab-
geschnitten, von dem herab sich mehrere Zweige bis an das Vorgebirge
Sunion hinziehen; sein Boden mager, aber durch den Fleiß seiner Ein-
'*) Vgl. die Schilderung Attika's in E. Curtius' griech. Gesch., I. S. 242 ff.