1. Bd. 1
- S. 150
1859 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
150
Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
dem lombardischen gleichzustellen; doch hat es ihm nie in demselben
Maße gelingen wollen, seine Unabhängigkeit, ans die Dauer wenigstens,
zu behaupten. Die politischen Verhältnisse in diesen Gegenden nahmen
dadurch vorzüglich eine von denen der Lombardei einigermaßen verschick
dene Gestalt an, daß Otto der Große in Beziehung auf diese Land-
schaft einer ganz andern Politik folgte, als hinsichtlich der übrigen seiner
Herrschaft unterworfenen Theile des obern Italiens. Er trennte die
Mark Verona und Friaul von Italien und verband sie mit Deutschland.
Wie man also Piemont als die Landschaft Italiens ansehen kann, welche
den Uebergang zu französischer Art und Weise des Lebens bildete, so
kann man die veronesische Mark und Friaul nicht bloß der äußeren
Lage, sondern auch den innern Verhältnissen nach als eine Uebergangs-
bildung ansehen zu Deutschland. Erst die venetianischc Herrschaft er-
zeugte ein uniformeres italienisches Ansehen auch dieser Gegenden.
5) Die Landschaft südlich vom Po und östlich vom Rheno, zwischen
den Apenninen und dem adriatischen Meere bis in die Gegenden von
Ancona hin.
Zwei Umstände, die mit einander in Zusammenhang stehen, geben
dieser Landschaft ihren auszeichnenden Charakter. Einmal blieb sie,
so laug-e Longobarden als Einwanderer auftraten, unter oströmischer
Herrschaft, und als sie später dann nach und nach auch erobert ward
und einzelne Männer germanischer Abkunft sich auch in diesen Gegen-
den niederließen, blieb doch die Masse der Bewohner nicht bloß römi-
schen Stammes, sondern behielt auch ihre römischen Gemcindeverfassnngen,
und diese wurden nicht sowohl aufgehoben, als allmühlig durch neue
Institute beschränkt, umgebildet und endlich verdrängt; diejenigen Theile
derselben aber, welche auf die Gewcrbspolizei Beziehung hatten, erhiel-
ten sich znm Theil fortwährend und dienten später dem übrigen Italien
wieder als Muster. Das Altrömische zeigt sich also in dieser Land-
schaft als bei Weitem wesentlicherer Bestandtheil der spätern Mischung als
irgendwo anders im nördlichen Italien; überdies war die Folge des
lüngern Znsnmmengehörens mit dem oströmischen Reiche, daß zweitens
eine lange Zeit diese Küstengegenden mit Venedig in dem Zwischenhandel
zwischen dem byzantinischen Kaiserreich und dem innern Italien rivali-
sirten; und später, als sie politisch von Byzanz getrennt wurden, blieb
doch der mercantile Verkehr, ja, so oft die oströmischen Imperatoren
sich im nördlichen Italien wieder festzusetzen versuchten, wählten sie
diesen Küstenstrich, und in den Einwohnern desselben selbst läßt sich
eine gewisse Hinneigung zu der griechischen Herrschaft beobachten.
Wenn also auch die bezeichnete Landschaft sich in noch weit höherem
Grade als die veronische Mark der politischen Entwicklung der Lom-
bardei anzuschließen suchte und die städtische Verfassung sich hier später
ganz gleichmäßig wie in den nordwestlicher gelegenen Städten gestaltete,
blieb diese Landschaft doch fortwährend die Brücke zu dem griechischen
Reiche und in mehr als einer Hinsicht auch zu dem südlicheren Italien.