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1. Bd. 1 - S. 235

1859 - Köln : DuMont-Schauberg
64. Palermo. 235 Safran-Cap) sich wie ein langer Speer in die Fluthen senkt. Von der Hafcnbucht bis an das zweite Thor, fast in der halben Länge der Stadt, dehnt sich ein prächtiger Kai, die Marina, ans. Eine großartige Pflanzenwelt, wie sie das nahe Afrika erzeugt, blüht auf der Land- seite und wechselt an den Bergen mit schroffen, kahlen, röthlichgrauen Fclsabhängen; auf der anderen Seite aber vollendet der weite, durch nichts als durch den seinen Saum der Horizontlinic des Meeres be- grenzte Ausblick ein Bild, dessen Eindruck selbst den von Neapel übertrifft. Die Stadt ist ins Kreuz gebaut. Zwei lange schnurgrade Straßen, der vom Gestade her sanft aufsteigende Cassaro oder Toledo und die Via Macquedo, durchschneiden sich ungefähr ans der Hälfte ihrer Länge im rechten Winkel. Der Punkt, wo sie zusammentreffen, heißt Piazza di Quattro Cantoni (der Vier-Ecken-Platz), geschmückt mit vier Brunnen und eben so vielen Bildsäulen spanischer Beherrscher Siciliens. Von der Mitte dieses achtscitigen Platzes sieht man die vier Hauptthore, östlich das Meer, nach den übrigen Gegenden hin das Gebirge. In den ge- nannten beiden Straßen wogt das bunteste Gewühl, prangen die statt- lichsten Paläste, vereinigt sich in Bazars und Gewölben der glänzendste Lupus. Dagegen fand ich die meisten Nebenstraßen krumm, winklicht und voll Unrath. Auch hier schweben zum Behuf des Trocknens weiße und farbige Kleidungsstücke, Gardinen und Maccaroni als seltsame Verzierung aus allen Fenstern in der Luft. Vor den Thüren arbeiten unter dem Schutz ausgespannter Zelttüchcr die meisten Handwerker; Mädchen knüpfen vor Aller Augen Fransen, flechten Gewebe aus Aloe- sasern und verfertigen in großen Nahmen schöne weiße Stickereien; öffentliche Schreiber, welche vorzugsweise Liebesbriefe für Andere fcrti- tigen, habe ihre Tische an allen Ecken; eben so sitzen Advocaten zwi- schen Actcnstößen und ertheilen ihren Clienten unter freiem Himmel Rath. Das getümmelvollc Treiben auf den Straßen dauert bis Mitter- nacht. Auf dem Platz der Marina hört mau alle Abend Militärmusik. Die Marina selber bietet einen der angenehmsten Spaziergänge, die man in Europa findet. Eine in dem Mauerwerk angebrachte Stein- bank, Trottoirs, Gasbeleuchtung und eine doppelte Allee immergrüner Bäume gewähren die nöthige Bequemlichkeit und Schatten. Paläste reihen sich an Paläste; vor denselben zieht sich eine mit Bänken verse- hene Terrasse hin, unterhalb welcher allabendlich die vornehme Welt in brillanten Equipagen, untermischt mit Reitern zu Pferd und zu Esel, ihre Corsofahrt hält. Nicht weniger belebt ist der Hafen. Da sitzt auch der öffentliche Erzähler, von früh bis spät seine Geschichten aus der Ritterzeit und Fecnwelt auftischend; neben ihm sucht der Improvi- sator das Zwerchfell seiner Zuhörer durch witzige Einfälle zu erschüttern und läßt sich nicht stören durch den ungestümen Declamator, der mit sprühenden Augen seine Verse herunterdonnert. Alles ganz wie in Neapel. Einige Hundert Bettler von jedem Alter und Geschlecht, die außer einem schmutzigen Lumpen um die Mitte des Leibes nichts auf dem verbrann-
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