1. Bd. 2
- S. 37
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
145. Das Banat.
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Die Zeugungskraft eines von Natur guten, durch Sümpfe und Flüsse
abgelagerten Bodens, gesteigert durch ein fast mehr tropisches als ge-
mäßigtes Klima ist wirklich wunderbar. Jahr aus Jahr wiederholen
sich hier aus denselben Stellen dieselben Ernten; der Boden wird nur
einmal aufgepflügt, um die Saat aufzunehmen; von Brachfeldern weiß
man hier nichts; der Dünger wird nie gebraucht, sondern als schädlich
weggeworfen; und doch sah ich bei der größten Sorgfalt und Arbeit
in andern Ländern nie einen solchen Ueberfluß au Erzeugnissen, wie
die schlecht gepflegte, ununterftützte Natur hier ihren Kindern schenkt.
Außer der Olive und Orange gibt es kaum ein Product in Europa,
das nicht im Banat gedeihe. Ich weiß nicht, ob ich alle Arten der
gewonnenen Ernten aufzählen könnte; doch gibt es unter Anderm Wei-
zen, Gerste, Hafer, Roggen, Reis, Mais, Flachs, Hanf, Rübsen,^Son-
nenblumen (zu Oel), Tabak in verschiedenen Sorten, Wein und Seide,
ja, sogar ein Versuch mit Baumwolle sott geglückt sein.
Das Klima des Banats nähert sich im Sommer fast dem italieni-
schen, der Winter aber, obschon weniger unfreundlich als in dem ganzen
übrigen Ungarn, ist doch noch zu lang und rauh für Oliven und
Orangen. Selbst im Sommer sind oft die Nächte äußerst kühl. Auch
nach dem heißesten Tage erhebt sich, sobald die Sonne untergeht, ein
kühles Lüftchen, das zwar Anfangs etwas erfrischt, aber denjenigen, die
nicht daraus vorbereitet sind, gefährlich werden kann. Der Ungar reist
nie ohne seinen Pelz oder Schaffellrock, und der Mangel an einem
solchen Schutzmittel zieht den ahnungslosen Fremden oft das Fieber zu.
Die Scenerie des Banats ist äußerst verschieden; von den platten
Ebenen von Thorantal bis zu den schneeigen Gebirgen von Krasso kann
man fast jede Abwechselung finden, die der Naturfreund nur wünschen
kann. Die schenswerthen, obwohl selten besuchten Schönheiten von
Lngos, die dunklern Reize der Ezerna und Reka, und die schönen Wäl-
der und Flüsse, mit denen das Banat reichlich ausgestattet ist, geben
ihm billiger Weise das Recht, sich zu den begünstigten Gegenden Ungarns
zu zählen.
Die Minen im Banat, obgleich von hohem Alter, werden zwar
noch immer bearbeitet, sind aber weniger ergiebig, als die im Norden.
Aber eine der sonderbarsten Eigenthümlichkeiten des Banats ist das
verschiedenartige Aenßere seiner Einwohner, welche, da die verschiedenen
Geschlechter auch in besonderen Dörfern ansässig sind, ihre National-
Charakterzüge auch vollkommen rein beibehalten haben. In dem einen
Dorfe, welches durch das schönere Ansehen seiner Gebäude und durch
das große Schulhaus sich sogleich als ein deutsches erkennen läßt, er-
blickt man noch die altmodische Tracht der baierischen Schnitterin und
die hellblauen Augen und röthlichen Haare ihres kälteren Klima's.
Einige Meilen weiter kommt man in einen, nur aus den hölzernen
Hütten der Walachen gebildeten Ort. Der Magyar und der Ratz
(Raize) sind gleich charakteristisch und verschieden.
An einigen Orten sind zwei oder drei Nationen unter einander ge-