1. Bd. 2
- S. 42
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
42 Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
aller dieser Ursachen bedurfte es, um dem siebenbürgischen Sachsen
seine deutsche Eigenthümlichkeit bewahren zu machen. In einigen ande-
ren Gegenden des Landes außerhalb ihres Gebietes gibt es ebenfalls
Dörfer, die ursprünglich von Deutschen bevölkert sind: Torozkü zum
Beispiel; hier haben sich die Colonisten mit der übrigen Bevölkerung ver-
schmolzen: sie sind Magyaren oder Walachen geworden.
In beständiger Verbindung mit der geistigen Bewegung Deutsch-
lands, mußten die Sachsen nothwendiger Weise den übrigen Sieben-
bürgeuern vorausschreiten, die sich nur ungern dem Einfluß Oesterreichs
unterwarfen. Sie errichteten im Lande die ersten Druckereien, sie grün-
deten die ersten und wichtigsten Fabriken. Nach dem 16. Jahrhundert
erweiterte sich ihr Verkehr mit Deutschland durch Hülfe der Verbindun-
gen, welche die protestantischen Fürsten von Siebenbürgen mit Bran-
denburg und Holland anknüpften. Auch das Hochdeutsche kommt jetzt
nach Siebenbürgen und folgt hier allen Veränderungen, die es in
Deutschland selbst leidet, ohne den sächsischen Dialekt jedoch zu ver-
drängen. Ich theile hier das Vaterunser iin sächsischen Dialekt mit.
Man kann sehen, daß die von den ersten Colonisten mitgebrachte Sprache
nur wenig Veränderungen erlitten hat.
„Foater auser, dir dau bist em Hemmel, gehcliget werde deing Nu-
men, zaukomm aus deing Rech, dein Bell gcschey aff Jerden, als vey
cm Hemmel, auser daglich Briut gaff aus heigd, oud fergaff aus auser
Schuld, vey mir fergien auser eu Schuldigeru..............."
Der sächsische Schriftsteller Franck hat iu diesem Dialekt einen
dem Westfälischen nahestehenden zu erkennen geglaubt. Die Sachsen
verstehen alle Hochdeutsch, in welcher Sprache auch ihre Bibel geschrie-
den ist. Stellen aus den heiligen Büchern stehen ebenfalls in dieser
Sprache an den Wänden ihrer Häuser. Doch haben sie ihrem Dialekt
nicht ganz entsagt, und sie sprechen Sächsisch, wie man Provcnealisch
in der Provence spricht. Das Sächsische ist sehr hart, verändert sich
aber nach der Oertlichkeit. Die Bewohner von Hermannstadt sprechen
einen ganz anderen Dialekt als die von Bistritz. Einige zählen drei,
Andere sieben verschiedene Dialekte. Diese Verschiedenheit rührt wahr-
scheinlich von dem Umstande her, daß die deutschen Colonisten nicht alle
aus derselben Gegend kamen und zu verschiedenen Zeiten in Sieben-
bürgen einwanderten.
Ueber den Ursprung der Sachsen hat man verschiedene Meinungen
aufgestellt. Bald hat man behauptet, sie stammten von Kriegern, welche
vor Karl dem Großen geflohen, bald meinten Andere, ihre Vorfahren
seien deutsche Stämme, welche gemeinschaftlich mit den Walachen Da-
cien vor der Ankunft der Magyaren besaßen. Die Diplome der Könige
und die verschiedenen den Sachsen ausgestellten Privilegien widersprechen
diesen Vermuthungen auf das Entschiedenste. Man weiß gewiß, daß
Geyza Ii. 1142 die Sachsen nach Siebenbürgen rief, um das Land
zu bebauen und die Handwerke einzuführen, die den Magyaren noch
ganz unbekannt waren. Die Einwanderungen dauerten fort, und selbst