1. Bd. 2
- S. 59
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
156. Weltstellung Frankreichs.
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gewöhnlich auch Sprachscheidungen der Völker machen, so ist Frankreich
eine sehr vollkommene Halbinsel; denn vom Genfer See bis Nizza,
welche Inselung oder Scheidung von Italien gegen Osten durch die
höchsten Alpen ! und wieder von Pcrpignan bis Bayonne durch die Py-
renäen von Spanien im Süden! Nur der Norden bleibt zugänglicher
und bildet keine so hohe Grenzscheide; dort der Jura, die Vogesen, die
Ardennen mit mäßigen Erhebungen, die höchsten Höhen nur 4000 bis
5000 Schuh über dem Meer, an der Sonnne fortlaufend nur geringere
Hebungen und Hügel, endlich in einem kurzen Strich dem Meere näher
nur Ebenen und Sümpfe. Dies.ist die Halbinsel Frankreich, ein groß-
ßes, schönes Land, reich an maunichfaltigeu Gütern und Gelegenheiten,
10,000 Quadratmeilen groß und von 36 Millionen Menschen bewohnt.
Dieses große Land zerfällt, außer wo die Hochgebirge im Nordosten an
manchen Stellen ein kaltes, fast nordisches Klima machen, seiner natür-
lichen Beschaffenheit nach in zwei Theile. Das Land nördlich der Loire
und Lyons und nördlich der Berge von Auvergne gehört schon dem
Norden, es gehört schon sehr dem Klima von einem Theil Deutschlands
und Englands; das Land südlich der Loire und Ctermonts und Lyons
bis an das Mittelmeer und die Pyrenäen spielt etwas zum Süden hin,
und doch ist es noch nicht ganz Südland wie der größte Theil Italiens
und Spaniens. Frankreich macht also ganz eigentlich die Mitte zwischen
dem Norden und dem Süden Europas, es macht gleichsam einen Ueber-
gang. Frankreich hat auch zwei verschiedene Seelen in sich, eine nörd-
liche und eine südliche Seele, die sich bis ans den heutigen Tag in
mancherlei Hader und Zwietracht einander bekämpfen und das unruhige,
wankelmüthige, wechselvolle, wunderliche Leben und Wesen bilden, wel-
ches wir das französische Leben und Wesen nennen, und welches wie
ein siedender Topf nach unserer deutschen Seite hin, wo der Rand anl
niedrigsten und hin und wieder abgebrochen ist, immer überschäumen
und uns mit seinem siedenden Brodem übersprühen und versengen will.
Dieses im Ganzen fruchtbare und schöne Land mit zwei großen
Meeren, dem Atlantischen und dem Mittelländischen, und dem unruhigen,
sturmvollen und kriegvolleu Canal, den so viele Siege und Niederlagen
der Römer, Sachsen, Flandrer, Holländer, Franzosen und Engländer
seit anderthalb tausend Jahren blutig gefärbt haben, und mit vortreff-
lichen Häfen an seinen Küsten hat freilich nicht die hochgestaltige und
vielgestaltige Mannichfaltigkeit Spaniens und Italiens, ja, nicht einmal
die Mannichfaltigkeit Deutschlands, aber es ist reich an Wein, Getreide.
Obstbau, Viehzucht und zieht im Süden schon den Oelbaum und einzelne
Südfrüchte und den Maulbeerbaum mit dem Seidenwurm, ist auch
durch Handel, Schifffahrt, Gewerbfleiß und Colonieen ein gesegnetes
und mächtiges Reich.