1. Bd. 2
- S. 92
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
fein mit an- und umliegenden Alluvionen, halb den Strömen, halb der
See angehörig, an das sich benachbarte, durch weitläuftige Moorgründe
und Moräste vertheidigte Landstriche schließen. Es ist die Brücke nach
England, wie die dänischen Inseln nach Skandinavien. Aber gegen
Mittag und Abend breiten sich reichbegabte Ebenen aus, von den Ebnen
des nördlichen Frankreichs durch keine Naturgränze geschieden, in denen
von jeher, wie noch heute, Celten und Deutsche mit ungewissen, schwan-
kenden Grenzen neben einander wohnen und in ihrer Berührung ein
amphibisches Geschlecht erzeugen.
Die Landschaften im Westen des Rheins und der Maas, Belgien,
sehen wir alle Zeiten hindurch gleichsam nach Existenz ringen, ohne daß
es jemals vollständig dazu gelangte. Eben so wenig aber geht jemals
seine Eigenthümlichkeit in einer benachbarten, überwiegenden ganz unter.
Seine historische Stellung ist sehr merkwürdig. Es ist der Schlüssel
von Frankreich, das Land des Angriffs für Deutschland gegen Frank-
reich, so wie es die Ebnen der Donau und des Mains für Frankreich
gegen Deutschland sind. Nicht leicht wird dagegen ein Heereszug gegen
Deutschland durch Belgien unternommen werden. Er würde über große
Ströme tn eins der ärmeren Gebiete von Deutschland führen, wo sich
nur sparsame Hülssquellen darbieten, und auch durch große Fortschritte
nur wenig gewonnen ist.
In den belgischen Ebenen haben die Deutschen ihre Sprache und
Sitte vor, während und nach der römischen Zeit weiter als irgendwo
sonst nach Abend hingetragen; von da aus haben sie der Römerherr-
schaft in Gallien ein Ende gemacht. Eine sehr feste künstliche Grenze
deckt heute die offnen Ebenen Frankreichs gegen Nordosten; dennoch
haben wir hier eine Schlacht das Schicksal des Reiches entscheiden
sehen. Die Nähe des verwundbaren Mittelpunkts, der alle Fäden in
sich vereinigenden Hauptstadt macht diese Grenze so empfindlich. Aus
demselben Grunde wird es leicht, dort große Streitkräfte in kurzer Zeit
zu versammeln. Dagegen liegt Belgien für Deutschland fern; zumal
seitdem hier die politische Macht ihren Sitz nach Osten verlegt hat.
Es scheint für die Franzosen eine leichte Beute; Frankreich fühlte sich
nie stark, daß es sich nicht nach dieser Seite hin auszudehnen versucht
hätte. Wenn Belgien nun doch nie ganz in Frankreich aufging, jo ist
dem dritten überseeischen Nachbar dabei ein wesentliches Verdienst nicht
abzusprechen. Dem Handel mit England verdanken die Niederlande
zum großen Theil ihren Reichthum; den daraus hcrvorgcgangeneu in-
nigen Verbindungen in früheren und späteren Zeiten nicht selten wirk-
samen Schutz.