1. Bd. 2
- S. 102
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
170. Belgiens Bevölkerung.
(Nach „Die Gegenwart", und E. Kapp, philosophische Erdkunde.)
Der Volksstamm im Atlgemeiuen hat etwas Kernhaftes, Natur-
wüchsiges. Und zwar findet dies seine Anwendung auf alle die verschie-
denen Elemente, die durch ganz eigenthümliche Umstände im Verlauf
der Zeit sich zu einem nationalen Körper amalgamirt haben. Im All-
gemeinen ist der Belgier sparsam, ausdauernd und arbeitsam, zu com-
merciellen und industriellen Unternehmungen geneigt. Gleichwohl beste-
hen zwischen den Vlamingen und Wallonen, dem niederdeutschen und
französischen Volkselement, erhebliche Unterschiede. Der Vlaming (Fla-
mänder) ist seinem ganzen Wesen nach Niederdeutscher, von dem Arndt
sagt, er sei weniger langmüthig als der eigentliche Deutsche, halte das
Seinige grimmig, und schlage, wenn man es antaste, mit sächsischer und
friesischer Schwere hart aus. Ausdauernd, aber langsam und schwer-
fällig ist der Vlaming. Zu kühnen und weit aussehenden Entschließun-
gen wenig aufgelegt, klebt er an der Scholle, an den ihm über Alles
theuren Erinnerungen des heimischen Heerdes, überhaupt an der ganzen,
ungeschmälerten Errungenschaft seiner Vorältern in Sitten und Ge-
bräuchen. Znm passiven Gehorsam allezeit bereit, fügt er sich nur in
den Dingen, die außerhalb seines gewöhnlichen Gesichtskreises liegen
und gegen die ererbten Vorstellungen nicht anstoßen. Der Kern der
niederdeutschen Bevölkerung Belgiens hat seinen Sitz in Flandern, wo
derselbe sich bisher ziemlich unvermischt erhalten. In der Provinz Ant-
werpen nähert sich der Niederdeutsche in Sprache und Sitten dem Hol-
länder, wogegen in Südbrabant und im Hennegau Vlämisches und
Wälsches mit einander vermischt sind. In dem Flußbecken der Sambre
und der Maas bis vor die Thore Mastrichts herrscht das Wallonen-
thum mit französischer Sprache und französischem Temperament, obwohl
fühlbar genug modificirt durch germanischen Einfluß. Der Wallone
ist lebhaft, aufgeweckt und entschlossen, was schon daraus hervorgeht,
daß die Wülschen die tonangebende Macht des belgischen Staats sind,
und, obwohl in der Minderzahl, den Vlamingen das Gesetz französischer
Bildung vorzuschreiben verstanden.
Betrachten wir im Anschluß an die Darstellung der Bodenbeschaffen-
heit und der durch sie möglich gemachten Commnnications-Mittel die
Producte des Landes, so werden wir von selbst auf die Gestaltung
der industriellen Thätigkeit der Bewohner geführt. Die waldigen Berg-
gegenden des südlichen Belgiens liefern Holz und mineralische Schätze,
vor allen Eisen und Steinkohlen. Die wichtigsten Steinkohlengruben
sind in den Provinzen Hennegau und Lüttich bei Mons, Charleroi und
Lüttich, die meisten Eisenbergwerke in Hennegau, Namur, Lüttich und
Luxemburg. Die Abhänge und Thäler in diesen Provinzen und im
Limburgischen begünstigen die Viehzucht, die Niederungen und fetten
Marschen der nördlichen Provinzen gleichfalls die Viehzucht und den