1. Bd. 2
- S. 181
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
194. Die Bergschotten.
tsl
aber zugleich sehr bescheiden gegen ihn, anständig; aber rachgierig und
unversöhnlich gegen den, der darauf ausgeht, sie zu kränken und zu
unterdrücken. Religion ist ihnen Bedürfniß für das bedrängte Herz,
um cs bei dein beständigen Kampfe mit den Umständen aufrecht zu
erhalten.
Bei diesen vortrefflichen Seiten dieses Völkchens, welche alle un-
parteiischen Reisenden anerkennen, ist es zugleich sehr wahr, daß ihnen
rasche Thätigkeit, emsiger Fleiß und ökonomische Industrie gänzlich fehlen.
Die Bergschottcn leben im Zustande der Unterdrückung: denn sie
sind zwar keine Leibeigene, haben aber auch kein Eigenthum. Sie be-
sitzen kein Land eigenthümlich, das vom Vater auf den Sohn erbte,
das sie nach Gutdünken anbauen, verbessern könnten, keine eigene Woh-
nung, von der sie eine Abgabe an den Landesherrn entrichteten u. s. w.
Hier ist aller Grund und Boden Eigenthum der Gutsbesitzer (Lairds),
und gehört zu größeren oder kleineren Landgütern, die meistens von
Pachtern (Taksmen) verwaltet werden, welche sie nun wieder zu drei
bis zehn Aeckern an die sogenannten Tenants verafterpachten, die in
England Cottagcr, sonst Tagelöhner, Käthncr, heißen. Die Lairds sind
der hohe Adel des Landes. Der Bergschotte hat keinen Trieb, das
Land zu bauen, die Hütte auszubessern, die Haide umzuroden, den
Sumpf auszutrocknen, das Feld von Steinen zu reinigen: denn er muß
Alles, was er dieses Jahr besitzt, das künftige wieder abgeben. Hierzu
kommt noch die Bequemlichkeit und Gewohnheit, die bisher dem Schot-
ten Viehzucht und Fischerei als Lieblingsbeschäftigung erhielten, unge-
achtet beide nur die nächsten Bedürfnisse zu befriedigen im Stande sind.
Bei der Armuth der Natur und der gedrückten Bewohner ist cs kein
Wunder, daß sie oft, so mäßig sie auch sind, den bittersten Hunger-
leiden müssen. Viele müssen Kriegsdienste nehmen, häufig werden unter
ihnen Matrosen gepreßt; nicht selten ist Mißwachs in diesem rauhern
Klima; ist es noch zu verwundern, daß die Schotten so gern die Ge-
legenheit benutzen, um in Amerika ihr Heil zu suchen, und gern Allem
sich unterwerfen, um nur ihr Leben zu fristen?
Daher nimmt die Bevölkerung mehr ab als zu und mit ihr der
Anbau des Landes; hierzu kommt die große Sterblichkeit der jünger»
Bcrgschotten. Man schreibt sie theils dem Whisky oder Branntwein
zu, an den sich die Bergschotten von der.muttermilch an gewöhnen und
stlbst den kleinsten Kindern in hohen und niedern Ständen zum Früh-
stück, Mittags und Abends geben. Theils schreibt man sic auch den
elenden Wohnungen zu, in denen sie einen großen Theil der rauhen
Jahreszeiten zubringen müssen.
Ihre Häuser aus dem festen Lande sind schlecht, noch weit elender
aber die auf den Inseln; nichts als kleine, länglich viereckige Mauer-
kasten von Kiesel und Fclsstückcn, ohne Mörtel aufgeführt, die Ritzen
dazwischen sind mit Moos verstopft. Tic besseren sind in zwei Räume
abgetheilt, einer für die Familie, der andere für das Vieh. Die Haus-
flur ist ungepflastert, daher der Boden immer feucht, kothig; in der