1. Bd. 2
- S. 194
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
194 Iii. Länder- und Völkerkunde. A, Europa.
thauen auf, das Schneegewand der Erde verschwindet vor dem jungen
Grase und den Kräutern, die Bämne belauben sich neu. Zugvögel
kommen an und Insekten zeigen sich wieder. Im Süden dagegen, wo
kein Schnee die Erde verhüllt, wo Flur und Au im Winter grünen
und die meisten Bäume und Büsche ihr Laub behalten, besteht die Ver-
änderung nur darin, daß mehr Gewächse hervorsprossen und blühen,
mehr Bäume sich belauben, mehr Vögel und Insekten sich zeigen, als
vorher. Die Rückkehr des Frühlings macht dort in dem Leben des
Landmannes keine so wichtige Epoche, da er den ganzen Winter hin
durch in seinen Feldern, seinem Garten, Weinberge oder Olivenhaine
thätig bleiben kann.
Der Schnee, der im nördlichen Europa, besonders int Osten,
eine so wichtige Rolle spielt, gehört in den niedrigeren Gegenden des
südlichen Europa zu den Seltenheiten; Hagel dagegen ist viel häufiger
im Süden, und dort mehr vom Landmanne gefürchtet. Blitz und Don-
ner, welche im Norden außer zur Sommerzeit selten vorkommen, sind
im Süden zu allen Jahreszeiten und zumal im Herbst gewöhnlich.
Die heißen, erschlaffenden Winde (Sirocco, Solano) sind im Norden
unbekannt, wo man auch wenig von ungesunden Dünsten weiß, die nn
Süden in vielen Gegenden die Luft verpesten.
Der Hauptnnterschicd zwischen Süden und Norden in Bezug aus
die wild wachsenden Pflanzen besteht darin, daß der Süden eine
größere Mannichfaltigkcit erzeugt, namentlich mehrere Arten Bäume
und Stäuchc, mehrere jener Pflanzenformen, die besonders in der heißen
Zone sich zeigen, mehr Schlingpflanzen und Zwiebelgewächse, mehr-
schöne Blumen und wohlriechende Kräuter; auch sind die immergrünen
Laubhölzer dem südlichen Europa ausschließlich eigen. Dagegen grünt
der Rasen wegen der Sommerregen, die im Süden viel seltener fallen,
im nördlichen Europa frischer.
Obgleich im mittleren Europa auch viel Weizen gebaut wird, so
ist doch der Roggen im Ganzen charakteristisch für den Norden; wo-
gegen Weizen, Mais, und zum Theil Reis dem Süd-Europäer das
gewöhnliche Brodkorn liefern. Kartoffeln und Buchweizen, diese im
Norden so wichtigen Nahrungsmittel, sind im Süden selten. Das Bier-
ist des Nordländers, der Wein des Südländers gewöhnliches Getränk;
doch fällt die Weingrenze nördlich der scheidenden Gebirgsmaffen. Da-
gegen trifft der Gegensatz von Oel und Butter gänzlich mit dem Ge-
gensatze der beiden Haupttheile Europa's zusammen. Im südlichen
Europa werden Küchengewächse und Obst weit mehr als im Norden
angebaut, und es gibt dort mehrere Arten. Orangen und Pistacien
gedeihen nur südlich der großen Gebirgsmaffen; Aprikosen, Pfirsichen,
Mandeln, Feigen, Trauben gehen zwar nördlicher, finden sich jedoch
nur in einem kleinen Theile des nördlichen Europa, und dort meistens
nur in Folge einer sorgsamen, künstlichen Pflege.
Aus dieser Verschiedenheit der Producte geht ein bedeutender Unter-
schied der Lebensweise hervor: Roggenbrod, Bier, Butter, eine größere