1. Bd. 2
- S. 238
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Bölkcrkunde. A. Europa.
wer noch sehr groß, die aus Fichten, Kiefern und Birkenhölzern be-
stehen, während andere Baumarten nur sporadisch erscheinen. Aber
schon unterm 66. Grad hört der Baumwuchs völlig ans, und nur bis
zum 62. Grad vermögen noch Eichen, Eschen, Buchen, Linden und
Weiden auszudauern. In botanischer Hinsicht zeigt weder die Flora
noch das Pflanzenreich überhaupt viele Mannichfaltigkeit und kräftige
Ausbildung, denn überall wird der Druck des Klima's bemerklich.
Dieses Klima, ein rauhes und dem 55. bis 69.o angemessenes, ist
nach Maßgabe dieser Breitengrade, der höheren Lage ans den Gebirgen
und Hochplateaux oder an den niedrigen Meeresküsten natürlich von
äußerst verschiedener Beschaffenheit. Während das Maximum der
Wintertemperatur dieses Landes schon unter dem 60. o öfter eine Kälte
bis zu 34 o ß. bringt, herrscht dagegen im Sommer zuweilen eine Hitze
üon + 33°ß. im Schatten, und zu allen Zeiten sind plötzliche, sehr
große Temperatur-Differenzen etwas ganz Gewöhnliches. Wegen der
trockenen Ostwinde, welche vorherrschen, hat Schweden im Allgemeinen
viel strengere Winter und weniger Regen im Sommer, als das an-
grenzende Norwegen. Schon unter dem 64. o treten bereits Mitte
August wieder die ersten Frostnächte ein, und noch weiter nördlich ist
das Land acht Monate lang durch Schnee überdeckt. Während Süd-
schweden mit Nord-Deutschland ein gleiches Klima besitzt, sogar Wall-
nuß, Maulbeer, veredelte Obstbäume, alle Cerealien und Gemüse-Arten
ganz gut gedeihen, können bis zum 63.° kaum Roggen,. Erbsen, Boh-
nen und Kohl, unterm 64.° nur noch Gerste, Kartoffeln und Rüben,
endlich unter dem 65.° allein Hafer und lediglich in sehr geschützten
Gärten einige dürftige Gemüsearten erbaut werden. Als Ersatz uiinmt
indeß gegen Norden die Ausbildung aller Pflanzen in gleich schneller
Progression zu, wie die Sommer sich verkürzen, so daß schon unter
dem 60. ° in drei Wochen nach Befreiung der Felder vom Schnee das
Getreide mit entwickelten Achren erscheint. Inzwischen beträgt unter
solchen klimatischen und topischen Hindernissen das bebaute Land doch
nur den achtundvierzigstcn Theil der gesammten Bodenfläche von Schwe-
den, außer dem etwa noch einmal so großen Areal, welches als Wiesen
und Weideland benutzt wird. Im Hinblick auf diese rauhe Beschaffen-
heit des Klima's können Ansprüche au nordische Naturreize nicht hoch
gesteigert, deshalb aber um so mehr die Wahrscheinlichkeiten vorhanden
sein, daß durch die originell plastische Physiognomie des Landes diese
geringen Erwartungen übcrtroffen werden. Niemals darf zwar jene
äußere Naturgestaltung mit dem überwältigenden Zauber des Südens
sich zu entfalten hoffen, wohl aber in der anspruchslosen, ruhigen Schön-
heit aufzutreten vermögen, welche in ernster Größe und wildromantischer
Mannichfaltigkeit auf dem eigenthümlichen Typus Skandinaviens ruhet,
wie dieser vorzugsweise in den Provinzen Dalarue, Medelpad und
Angermanland ausgebildet ist. In diesen Gebirgsgegenden, so wie auf
andere Art auch an den Ufern der vielen Landseen und rauschenden
Ströme zeigen die schwedischen Landschaften keine geringen Naturreize,