1. Bd. 2
- S. 292
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
292
Iii. Länder- und Völkerkunde. A. Europa.
eigene soften wieder hergestellt. Er ist an beiden Seiten mit Weiden
bepflanzt, die aber bei dem salzigen Boden von Astrachan und den
Stürmen des Winters nnr kümmerlich zu gedeihen scheinen. Nördlich
von dem Anfange dieses Canals befindet sich in der Wolga der Hafen.
Interessant sind die Kanshöfe der verschiedenen in Astrachan woh-
nenden Völkerschaften, die meistens alle in der weißen Stadt liegen.
Es befinden sich hier mehrere rnssische, armenische und tatarische, so
wie anch ein persischer und ein indischer Kanfhof. Sie bestehen wie
immer ans einem viereckigen Gebände, das nach außen zu lauter neben
einander liegende Läden enthält und einen inneren Hofraum einschließt,
zu welchem man durch ein Thor von außen gelangt. Der Kaufhof
der Perser ist ein steinernes Gebäude, das in einem zweiten Stockwerk
auch Wohnungen enthält, in welchen der größte Theil der Perser, welche
sich in Astrachan aufhalten, anch wohnt, da sie meistens Kaufleute sind.
Sie handeln mit persischen seidenen Shawls und Tüchern, auch mit
indischen Zeugen, persischen trockenen Früchten u. s. w., stehen sonst
aber den ganzen Tag müßig schwatzend vor ihren Läden. Sie haben
in Astrachan keine Medsched und besuchen auch nur selten die zahlrei-
chen Medscheds der Tataren, da sie zu einer anderen Secte der Muha-
medaner gehören.
Nicht weit von dem persischen Kanfhof befindet sich der indische,
der nur aus Holz gebaut ist. Die Zahl der in Astrachan lebenden
Hindus ist nicht groß und sie machen theils Handelsgeschäfte, theils
leihen sie Geld zu hohen Zinsen, zu 12 bis 36 Procent ans, und wer-
den dadurch reich, weil sie ein sehr mäßiges Leben führen. Sie werden
sonst als sehr gutmüthig und ehrlich gerühmt, wie sie auch ein solches
Aeußere haben, und zeichnen sich dadurch Vortheilhaft vor den Arme-
niern aus, deren Charakterlosigkeit schon Gmelin mit lebhaften Farben
schildert. Sie wohnen ebenfalls in ihrem Kaufhofe und halten dort
anch ihre gottesdienstlichen Uebungen.
Die Armenier machen, wie schon angeführt, nächst den Russen den
ansehnlichsten Theil der Bevölkerung von Astrachan aus. Sie sind mei-
stentheils Kaufleute, da ihr Adel von der rnsischen Regierung nicht an-
erkannt ist, doch können sie den russischen Adel sich durch Staatsdienste
erwerben.
Was endlich die Tataren betrifft, so sind sie die Abkömmlinge der
ehemaligen Bewohner der Stadt und des Landes und auch jetzt noch
zahlreich. Sie sind den Tataren von Kasan ähnlich, und auch in Astra-
chan wie dort die eigentlichen Fabrikanten, besonders Färber, Gerber
und Seifensieder.