1. Bd. 2
- S. 366
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. B. Asien.
andere Vorzüge, daß es kaum begreiflich ist, wie cs kommen konnte,
daß wir bis jetzt noch nicht unser Augenmerk hieher gerichtet haben.
Als Insel ist es, so lange wir uns in der Herrschaft des Meeres be-
haupten, gegen alle Angriffe von außen geschützt. Ferner ist hier der
Boden sehr fruchtbar und ergiebig, aber noch nicht gehörig cnltivirt;
die Bevölkerung, weit entfernt, daß sie so übermäßig sei wie in China,
ist nicht einmal hinreichend zum Anbau des Bodens. Formosa wäre
daher der schicklichste Ort für die Gründung einer englischen Colonie,
welche bei solchen günstigen Umständen ohne Zweifel bald blühend wer-
den und den Besitz der Insel auf ewige Zeiten uns sichern würde.
Die ursprünglichen Einwohner gehören zur malayischen Race; ihre
Sprache ist dem Tagala der benachbarten Philippinen innig verwandt.
Das männliche Geschlecht ist von ungewöhnlicher Größe, stark von Leib
und Gliedmaßen und schwarzbrauner Farbe. Die Frauen hingegen sind
kleiner Gestalt, stark, fett und von branngelbem Teint. Es ist dieß
ein gar treu- und gutherzig Volk, nicht geneigt zum Rauben und Steh-
len, aber unversöhnlichen Sinnes, wenn eine Fehde ansgebrochen. Die
Köpfe, Arme und Beine der erschlagenen Feinde werden wie Kostbar-
keiten aufbewahrt und zum Ruhm der Ahnen von Geschlecht zu Ge-
schlecht vererbt. Man findet unter diesen Autochthonen eine Art Got-
tesvcrehrung und eine Menge religiöser Ceremonien, ähnlich denen auf
den Inseln der Südsce und der Tongagrnppe. Sie nennen ihr Land
Pakkang oder Pakkande — ein Wort von ungewisser Bedeutung. Der
Name Formosa, unter welchem seit dem 16. Jahrhundert die ganze
Gruppe in Europa bekannt ist, rührt von den Spaniern her. Als
diese nämlich ans dein äußersten, nördlichen Vorgebirge der Insel das
Castell Kilong erbauten, gaben sie der ganzen Gruppe, wegen der Frucht-
barkeit ihrer Auen und der Anmuth des Landes, den Namen Hermosa.
Die Insel wird mittels einer Gebirgskette, die sich in gerader Rich-
tung von Norden nach Süden mitten durch das Land zieht, beinahe in
zwei gleiche Theile getheilt, welche von den Chinesen das Land vor und
hinter dem Gebirg, oder das östliche und westliche genannt werden.
Obgleich die Chinesen sich schon seit dem Jahre 1683 hier festgesetzt
haben, so konnten sie bis jetzt doch nicht des östlichen Theiles Meister
werden. Innerhalb der Gebirge gegen Osten sind einige tausend selb-
ständige Herrschaften, die sich gegenseitig unaufhörlich bekriegen. Es ist
dies eine Folge der unglückseligen Clansregicrung, welche allenthalben,
wo sie Statt fand und Statt findet ans Erden, endlose Fehden und
Zerrüttungen zur Folge hatte. Hier in den Gebirgen und jenseits in
der östlichen Ebene wohnen noch die Eingebornen in selbständiger Weise
unter mehreren angestammten oder durch Wahl bestimmten Fürsten,
welche gegen die fremden Eindringlinge, die Chinesen, den bittersten
Haß hegen.
Diesseits und jenseits des an Gold und Silber reichen Gebirges,
das zu diesem Endzweck niemals bearbeitet wurde, erstrecken sich blü-
hende Thäler und fette, fruchtbare Ebenen, wo alle Südfrüchte in üp-