1. Bd. 2
- S. 410
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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111. Lüildcr- mib Völkerkunde. B. Asien.
eo. Vorder-Indien.
266. Weltgeltung Dorder-Lndiens *).
(dlach Christian Lassen, indische Alterthumsknnde.)
Auf der weiten Mecresfahrt von Afrika nach China erscheint Indien
als das begünstigtere Land. Es liegt nämlich in der Mitte der zwei
anderen Halbinseln, welche, wie Indien, aus der Masse des asiatischen
Festlandes in das südliche Meer hineinspringen; cs mußte daher am
natürlichsten der Mittelpunkt der Verbindungen dieser Nachbarländer
und der weiter an sie grenzenden werden; es konnte am leichtesten nach
beiden Seiten hin verkehren, von beiden Seiten besticht werden. Die
Geschichte des Handels weisst uns daö ziemlich frühe Zusammentreffen
arabischer und chinesischer Kaufleute in indischen Emporien nach. Ebenso
begünstigt erscheint den beiden anderen Halbinseln gegenüber Indien in
Beziehung auf seine inneren Vorzüge und die Erzeugnisse, welche den
Handelsmann heranziehen. Arabien wird zwar, wie Indien, etwa in der
Mitte vom Wendekreise durchschnitten; aber nur der Süden Arabiens
ist fruchtbar; das Innere ist arm, gleichförmig und bildete nie einen
zusammenhangenden, mächtigen Staat; im südlichsten Arabien konnte sich
wohl ein vermittelnder Punkt des Handels zwischen Indien und der
Westwelt bilden, es konnte Indiens Erzeugnisse nicht für die Westwelt
ersetzen, nur aus Indien sie holen. Sehr reich von der Natur ausge-
stattet ist dagegen die östliche indische Halbinsel und liegt mit dem
Schwesterlandc in gleicher Breite; aber in vier große Meridianthüler
getheilt und gesondert, erschuf es nie einen mächtigen Centralstaat, der
die rohen Urbewohner zu einem geordneten Zusammenleben und höheren
Bestrebungen nöthigte; die Cultur siedelte sich nur spät und einzeln
an, das ganze Land gelangte nie zur selbständigen Bildung und Wirk-
samkeit nach außen. Es blieb ein untergeordnetes, geistig nur empfan-
gendes Land und konnte das vordere Indien keines Theils seiner Wich-
tigkeit berauben. Es bot aber auch im vcrwahrlosstcn Zustande eigen-
thümliche wcrthvolle Erzeugnisse dar, um den Kaufmann anzulocken;
cs öffnete dem kriegerischen Abenteurer wie dem Missionar ein weites
Feld für seine Unternehmungen.
Wie Inseln zugänglicher sind, als große Festlande, so haben auch
die Indien benachbarten Inseln Sumatra und in noch viel höherem
Grade Java den Indern ein großes Feld der Thätigkeit eröffnet. Es
bot sich hier eine zwar verwandte, doch vielfach ganz eigenthümliche neue
Natur dar, der Inder sah sich hier au den Erdgleicher und über ihn
hinaus versetzt. Die leichte Verbindung mit dieser reichen Inselwelt
und die dadurch erweiterte Sphäre der Thätigkeit sind wichtige Begün-
stigungen, welche Indiens Lage am Meere ihm brachte.
*) Vgl. oben S. 386.