1. Bd. 2
- S. 448
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
448 m. Länder- und Völkerkunde. 8. Asien.
ebenen des Südens hinab und begründeten hier höchst wahrscheinlich
die allerälteste Civilisation der Menschen auf Erden. Die Zend-
Völker wohnten Anfangs längs des Araxes, des Kaspi-See's, darauf
stiegen sie über das Plateau hinüber und begründeten in den Ebenen
des Opus eine der merkwürdigsten, mysteriösesten Urniederlassnngen
Asiens. Ein Zweig desselben oder doch sicher eines nahe verwandten
Völkerstammes — die innige Uebereinstimmung ihrer Sprachen bestätigt
ihren gemeinschaftlichen Ursprung -— zog noch weiter, zog bis nach
Indien und begründete hier das civilisirte Reich der Br ah min en.
Arabien und Nord-Afrika empfingen ihre Bevölkerung von Soristan.
Süd-Europa vielleicht auf demselben Wege durch Klein-Asien. Der
Norden endlich ward durch die Ureinwohner des Kaukasus bevölkert,
von denen in allmähliger Stufenfolge die Celten, die Germanen und
andere Stämme ausgingen, welche die ihnen angebornc Ausdauer und
muthige Kraft aufsparten zu den späteren Bestimmungen dieses Continentes.
Die ebenen Fluren Babyloniens und Bactricns sind continental,
aber nicht maritim wie die von Indien und China. Die Gegensätze
der Natur sind auch im Westen immer noch stark bemerkbar, doch tre-
ten sie hier nicht mehr so schroff hervor, wie im Osten. Es gibt hier
noch sehr große Flächenräume, also auch sehr umfangreiche Staaten.
Die Religionen, die politischen und socialen Bedingungen eines Volkes
verrathen noch immer einen starken Einfluß, eine Oberherrschaft der
rohen Natur, welche der Mensch noch nicht ganz bemeistern konnte.
Die Civilisationen sind auch hier noch local, aber schon nicht mehr
ganz isolirt. Die Natur aller dieser Regionen ist mehr zugänglich und
tritt überall mit einander in Contact, wodurch die gegenseitige Wirkung
auf einander erleichtert wird. Eine Vermischung ist möglich und sie
findet auch wirklich statt. Das Bilden großer Monarchieen, welche von
Indien bis Klein-Asien, von den Steppen Turans bis zu den Wüsten
Arabiens reichten, ist ein wiederholt erneuertes Factum jeder Periode
der Geschichte dieses Festlandes. Assyrien, Babylonien, Persien wurden
nach und nach wieder unter die Herrschaft desselben Besiegers aller
dieser verschiedenen Nationen vereinigt. Keinem glückte aber der Durch-
bruch und das Beseitigen aller isolircnden Schranken besser als Alexander.
Nur Aegypten blieb lange isolirt und repräsentirte in gewisser Hin-
sicht die Natur der ost-asiatischen Staaten. Später mußte aber auch
dieser Landstrich dem socialen progressiven Bildnngsgeiste der Griechen
die Thore öffnen.
So wurden denn die Völker und die Civilisationen West-Asicns
vor der Absondcrungssncht und Selbstsucht bewahrt, welche so^ ver-
hängnißvoll nachtheilig auf China und Indien eingewirkt haben. Schein-
bar ging ihre specifische Nationalität verloren, aber nur scheinbar, denn
genau genommen ward gerade hierdurch ein sehr fruchtbarer geistiger
Samen unter die erobernden Nationen selbst gesäet, ans dem eine noch
viel edlere Charakterblüthe der Civilisation entstehen konnte.