1. Bd. 2
- S. 470
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Iii. Länder- und Völkerkunde. L. Asien.
Schimpf und Schande würde dem zu Theil, welcher, das Odschag,
d. i. das Hausrecht, entehrend, dem wehrlos reuigen Feind ein Leid
zufügen würde. Durch die Nacht der Barbarei dieser Gebirgsbewohner
zuckt also doch auch mancher versöhnende Lichtstrahl. Nicht nur der
Charakter der Einzelnen zeigt solche Funken von Edelsinn und Groß-
muth, nein, in der allgemeinen Sitte selbst wohnt mancher zarte Zug,
und man merkt immerhin, daß man es bei diesen Wilden niit Söhnen
des Morgenlandes zu thun hat, aus dem das erste Morgenroth der
Cultur und der milderen Sitte für die westlichen Länder schimmerte.
I). Das Tiefland Turan.
287. Turan.
(Nach Wilhelm Wachsmuth, europäische Sittengeschichte.)
Turan ist dem Perser, im Gegensatze seiner Heimat, wo Städte,
Fruchtfelder, Weinberge und Obstgärten den Preis seßhaften Lebens
bekunden, das Land an seiner Nordmark, wo nomadische, zum Einfallen
in das schöne Iran stets bereite Horden umherziehen; für den Chinesen
besteht dasselbe Verhältniß; er nennt die nördlichen Steppen Kitai;
gegen ihre Bewohner ward 300 Jahre v. Chr. die große Mauer
erbaut.
Die Natur der Landschaften Mittel-Asiens führt auf Nomadenleben;
doch ist weder sie, noch das in ihr wohnende Menschengeschlecht einerlei.
Als eine Mark ist der Jmaus der Alten, jetzt Mustag, anzusehen;
diesseits dieses Höhenzuges sind die Landschaften zum Theil ivirthbar,
weidenrcich, und ihre Bewohner, wenngleich meist Nomaden, ein wohl-
gestalteter ansehnlicher Menschenschlag, der tatarische oder türkische;
jenseits desselben ist Steppe, Haide und Wüste, der Boden bringt nur
kümmerliches Gesträuch hervor, die Einwohner sind widrig anzusehen,
ein äußerlich garstiges, innerlich mit menschlicher Tugend nicht ausge-
stattetes Geschlecht, das mongolische. Stetigkeit des Naturgepräges
der Landschaften hat auf die der Lebensweise gewirkt; was bei den
Alten von den Scythen erzählt wird, paßt auch auf die späteren Ge-
schlechter, die in jenen Räumen Mittel-Asiens wohnten und daraus
nach einander hervorbrechend ost-europäische Länder heimsuchten. Rohes
Waffenthum, ausgezeichnet durch geschickten Gebrauch des Bogens, er-
füllte ihren Sinn; Theil an der Beute hatte nur, wer den Kopf eines
erschlagenen Feindes brachte; bei Bündnissen tranken die Abschließenden
von ihrem Blute; auch das Blut des zuerst erschlagenen Feindes wurde
getrunken, Haut und Haar seines Oberkopfes diente zum Pferdeschmuck,
der Schädel in Gold gefaßt zum Trinkgeschirre; von Gefangenen wurde
der hundertste Mann den Göttern geopfert, allen insgesammt aber die
Nase abgeschnitten. Ackerbau betrieben nur die Knechte; die Freien