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1. Bd. 2 - S. 568

1860 - Köln : DuMont-Schauberg
568 Hi. Länder- und Völkerkunde. 0. Afrika. dessen Vorsehung sic genannt zu werden verdienen; denn während sie mit unbegrenzter Gastfreundlichkeit Tausenden von Bedürftigen Obdach und Nahrung bieten, läutern und mildern sie die Sitten des Volkes durch ertheilten Unterricht. Noch merkwürdiger ist die bei den Kabylen bestehende Institution der Ana ja. Die Anaja ist eine Schntzherrschaft, welche jedes Indi- viduum eines Stammes, sei es männlich oder weiblich, über einen Je- den ausüben kann, der dasselbe um seinen Schutz bittet. Um einen solchen Schutz zu gewähren, genügt es, daß der Beschützer dem Be- schützten irgend einen ihm zugehörigen, von den Mitgliedern des Stammes als ihm gehörig bekannten Gegenstand einhändigt, dessen Vorzeigung dann nicht allein die Rolle des in civilisirtcn Ländern gebräuchlichen Passes spielt, sondern einen solchen bei Weitem an Wirksamkeit übertrifft. Unsere europäischen Pässe legitimiren den Reisenden nur der Policei gegenüber, schützen aber nicht gegen etwaigen Straßenraub; die Anaja aber, oder das sichtbare Zeichen derselben, stellt ihren Besitzer gegen jeden räuberischen oder feindlichen Angriff in dem ganzen Umfange des Stamm-Territoriums und oft noch weit darüber hinaus sicher. Besitzt die um die Anaja ange- gangene Person irgend einen Gegenstand, wie z. B. ein Kameel, Maul- thier, Hund, Gewehr u. s. w., welcher von allen Individuen des Stammes als ihr gehörig bekannt ist, so übergibt sie denselben dem Schützlinge, und dieser kann dann seine Reise fortsetzen, ohne befürchten zu müssen, selbst von seinen schlimmsten Feinden belästigt zu werden. Ist der Kabhle nicht im Besitze eines solchen Gegenstandes, oder hat er Grund zu der Annahme, daß ein solcher seinem Schützlinge nicht die erforderliche Sicherheit gewährt, so begleitet er ihn selbst. Man kann sich denken, daß die Anaja um so mehr an Wirksamkeit zunimmt, je mächtiger der Ertheiler derselben ist. Mit der Anaja eines Mara- but versehen, kann der Reisende ungehindert durch ganz Algerien reisen; denn der Marabut des nächsten Stammes wird die Anaja seines Col- lcgen unbedingt anerkennen und dieselbe gegen seine eigene auslösen, die dann wieder vom Marabut des nächsten Stammes ausgelöst wird, und so fort, bis der Reisende das Ziel seiner Reise erreicht hat. Auf nichts ist der Kabyle eifersüchtiger, als ans die Anerkennung seiner Anaja, und er würde eher seine Familie, Habe und Leben aufopfern, als die Nichtachtung derselben ungerächt lassen, ja, die Ehrerbietung, welche dieser merkwürdigen Einrichtung gezollt wird, geht so weit, daß der ganze Stamm keinen Augenblick Anstand nehmen würde, für die Aufrechthaltnng der Anaja jedes Einzelnen solidarisch und mit Gefahr seines Lebens einzustehen. Im Ganzen genommen sind die Kabylen sehr sparsam in der Er- theilung ihrer Anaja, denn der Flüchtling erhält sie von einem und demselben Individuum nur einmal, und der Verkauf derselben an einen Anderen wird als ungültig angesehen; Wehe dem aber, der sich unter- fangen würde, sich das Zeichen des Schutzes auf unrechtmäßige Weise anzueignen und als solches zu gebrauchen; denn der Kabyle, dessen Name
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