1. Bd. 2
- S. 575
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
19. Die Sahara.
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trocknet ist und die Quellen und Bäche nur wenig Wasser haben. Hier
werden alle Bedürfnisse, als Gerste, rohe Wolle, Häiuinel und Bntter,
eingehandelt, bis dann zu Ende des Sommers diese Zugvögel vergnügt
in ihre Heimat zurückkehren. Eine berühmte Nation sind die Tmariks,
welche zwischen Sudan und dem Atlas die Sahet dnrchschwärmen,
schöne, stolze Menschen, Abkömmlinge der Urbewohner des Atlaslandcs.
Bei weißer Hautfarbe, nur an Gesicht und Armen von der Sonne
gebräunt, haben sie gebogene Nasen, große Augen, einen feinen Mund
und eine hohe Stirn; sie sind behend und rasch in der Ausführung
ihrer Ränbereien, schießen sehr gnt und bewegen sich auf ihren flüch-
tigen Kameelen, äußerst schnell; daher werden sie von den Weißen und
Schwarzen, in deren Mitte sie wohnen, gleich sehrgefürchtet. *)
Die Handclszüge durch die Wüste gehen regelmäßig, in Gesellschaf-
ten von 200 bis 1000 Kaufleuten mit ihren Lastthiercu. Die Kara-
wane von Fczzau gilt für die am besten eingerichtete. Die Hanpt-
richtungcu gehen von Osten nach Westen, z. B. von Marokko nach
Kairo oder von den Nil-Oasen nach Fezzan in Tripolis. Die Karawane
von Fez nach Timbnktn brancht 129 Tage, unter denen 59 Rasttage sind.
Große Gefahr in der Wüste bringen die Sandstürme. Es ereignet
sich nämlich nicht selten, daß heftige Wirbelwinde die Sandmassen gleich
Meereswogcn in Bewegung setzen, aufwühlen und als thnrmhohc Sand-
säulen in die Höhe wirbeln. Die Leiden der Reisenden während eines
Sandstnrmes sind unbeschreiblich, und der gewisse Tod steht jeden Augen-
blick bevor, weßhalb die Araber, wenn der Sand sich zu bewegen an-
fängt, schnell die Zelte abbrechen. Die ganze Luft ist dann voller
Staubwolken, so daß man nicht zwei Schritte weit sehen kann. Dabei
steigt die Hitze zu einem erstaunlich hohen Grade. Die Pferde recken
die Zungen ans dein Halse hervor und bäumen sich; die Menschen
werden von dem schrecklichsten Durste gequält; nur das Kameel ertrügt
alle Beschwerden init Ruhe und Geduld. Unterdessen schreiten die Sand-
massen wie wandelnde Berge daher; die hoch ragenden Säulen fliegen
bald mit Windesschnelle, bald schieben sie mit majestätischer Ruhe über
den Boden dahin. Manchmal fürchtet man schon erreicht zu sein, schon
regnet ein feiner Staub ans den Wolken nieder; da entfernen sic sich
wieder und verschwinden mit unglaublicher Schnelligkeit. Zuweilen be-
ginnen sie an der Spitze zu zerrinnen und stäuben auseinander; inanch-
mal brechen sie auch in der Mitte zusammen. Oft stürmen sie ganz
nahe an der Karawane vorüber, Schrecken und Staunen erfaßt die
Reisenden; an ein Entrinnen ist nicht zu denken, das schnellste Araber-
pferd würde von ihnen überholt werden. Man kann nichts thun, als
sich ruhig in sein Schicksal ergeben und das Ende des Natnrschauspiels
abwarten. Man gewahrt in der Wüste häufig Knochen und Schädel
von Menschen und Kameelen neben den Sandpfaden, oft auch große
Sandhügel, aus welchen hunderte von weißgcblcichten Gerippen hervor-
*) Ueber die Tuariks siche ausführlicher Nr. 320.