1. Bd. 2
- S. 639
1860 -
Köln
: DuMont-Schauberg
- Autor: Pütz, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
340. Die Mormonen und ihr Land.
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Indianer den Nebraska nennen. Aber noch war ihres Bleibens nicht,
die rechte Stätte hatten sie noch nicht gefunden; sie mußten weiter
wandern und die Wahsatschkette übersteigen. Dann aber hatten sie
einen entzückenden Anblick, der sie gewaltig ergriff: alle sanken auf die
Kniee. Vor ihnen tief unten lag der große Salzsee und erglänzte im
Sonnenstrahle, das gelobte Land, in welchem sie Hütten bauen wollten,
war endlich gefunden. Ihre Freude steigerte sich, als in der Gestaltung
der Gegend manche Aehnlichkeit mit Palästina unverkennbar war. Auch
die Juden waren verfolgt worden und hatten durch die Wüste ziehen
müssen gleich ihnen; Moses hatte Kanaan nicht mehr gesehen, auch Jo-
seph Smith kam nicht an den Salzsee. Dieser hat keinen Abfluß zum
Ocean und gleicht dem Todten Meer; in ihn fließt ein klares Wasser,
der Jordan, welcher aus dem Utahsee kommt, diesem „westlichen See
von Tiberios". In alle dem sahen die Mormonen einen Fingerzeig
vom Himmel, der ihnen das von Weißen noch unbewohnte Thalbecken
vorbehalten hatte.
Dieses große obercalifornische Binnenbecken, etwa ans hal-
dem Wege zwischen der Grenze der westlichen Staaten am rechten Ufer
des Mississippi und den Gestaden des großen Weltmeeres, ist von der
übrigen Welt völlig abgeschlossen. Im Allgemeinen trägt cs den Cha-
rakter einer dürren Wüste, die einen Flächenraum von mehr als 6000
Quadrat-Meilen einnimmt. Allein manche Strecken können als frucht-
bare Oasen betrachtet werden, und in vielen Gegenden, wo Bewässerung
möglich ist, wird der Anbau des Bodens reichlich gelohnt. Manche
Berge behalten neun Monate im Jahre Schnee und speisen die von
ihnen herabrinnendcn Gefließe fortwährend mit Wasser.
Die Hauptstadt, welche die Heiden Great Salt Lake City
nennen, soll zwei Stunden Länge und anderthalb Stunde Breite ha-
den; die Straßen durchschneiden sich in rechten Winkeln, sind 132 Fuß
breit, mit Seitengängen von je 20 Fuß. Die Stadt hat eine herr-
liche Lage nahe dem Salzsee am westlichen Fuße des Wahsatschgebirgcs,
am Jordau. Durch die Stadt fließt unablässig im Winter wie im
Sommer klares Wasser, das durch sinnreich und zweckmäßig angelegte
Gräben durch alle Straßen, und zwar an beiden Seiten hin, geleitet
worden ist und allen Gärten und Feldern die erforderliche Feuchtigkeit
mittheilt. Durch die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern in
Gärten und Straßen ist Salt Lake City eine wahrhaft liebliche Stadt
geworden, deren Anblick um so mehr erfreut und überrascht, weil der
Reisende wochenlang durch kahle, sonnenverdorrtc Gegenden wandern
muß, bevor er das Thal erreicht. Diese Mormonenstadt ist in der
That ein Diamant der Wüste. Schon 1849 hatte sie 8000 Ein-
wohner, gegenwärtig mag die Zahl das Dreifache betragen.
In Neu-Jerusalem soll sich der große Tempel erheben, welcher, den
Mormonen zufolge, an Großartigkeit und Pracht alle anderen Gebäude
der Welt übertreffen wird; und nur erst, wenn das tausendjährige
Reich anbricht, soll noch ein Heiligthum erstehen, gegen das selbst er