1852 -
Eßlingen
: Weychardt
- Autor: Völter, Daniel
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
156 Zweite Abtheilung. Die physikalische Geographie.
der Seewind genannt wird. Er zeigt sich zunächst am Ufer, und erstreckt
sich erst nach und nach weiter ins Meer. Seine Stärke wächst von 10 Uhr
Morgens bis Nachmittags 2 bis 3 Uhr; von diesem Zeitpunkt nimmt seine
Lebhaftigkeit wieder ab, bis endlich zur Zeit des Sonnenuntergangs, wann
Land und Meer eine gleiche Temperatur haben, eine Windstille eintritt. Nach
Sonnenuntergang wird die auf dem Lande ruhende Atmosphäre durch Aus-
dünstung kälter, und ihre Temperatur ist zu jeder Stunde der Nacht niedrigem,
als die Temperatur der über dem Meere liegenden Luftschicht; deßwegen ent-
steht eine Luftbcwegung vom Lande gegen die verdünntcren Luftschichten über
dem Meere, und diese Strömung heißt der Landwind. Seine Stärke
nimmt nach und nach bis zum Aufgang der Sonne zu; gegen 8 Uhr ver-
schwindet er und der Seewind beginnt späterhin auf's Neue. Die Land- und
Seewinde werden bei beständigem Wetter an allen Küsten und Inseln zwi-
schen den Tropen wahrgenommen. Spuren von ihnen zeigen sich auch in der
gemäßigten Zone, ziemlich deutlich noch im mittelländischen Meere längs der
französischen und italienischen Küsten und bis zur Insel Kandia, in England
und an der Ostsee; ja sogar in der kalten Zone hat man sie an der Ost-
küste von Grönland bemerkt. Auch auf größeren Seen findet man solche ab-
wechselnde Winde, und die Temperaturdifferenz in verschiedenen Höhen kann
sogar die Ursache werden,- daß sich auf Ebenen in der Nähe von Gebirgen
ein ähnlicher Wechsel zeigt.
2. Die Passates oder Strich winde, welche innerhalb der Wen-
dekreise wehen, entstehen auf ähnliche Weise. Denkt man sich die Erde völlig
mit Wasser bedeckt und die Sonne in einem Punkt des Aequators still ste-
hend, so liegt der wärmste und der kälteste Punkt der Erde in dem Durch-
messer der Erde, welcher verlängert durch die Sonne hindurchgeht. In die-
sem Falle würde die Luft der obern Regionen von demjenigen Punkte, in
dessen Zenith die Sonne steht, nach allen Seiten abfließen, und sich gegen
den Punkt bewegen, in dessen Nadir sich die Sonne befindet; in den untern
Regionen dagegen würde die Luft von allen Seiten gegen den wärmsten Punkt
hinströmen. Die Windrichtung der untern Luftmasse würde also an jedem
Orte durch den Bogen des größten Kreises bestimmt, welcher durch den wärm-
sten und kältesten Punkt der Erde und den Beobachtungsort gezogen wird.
Da alle Punkte des Aequators wegen der Achsendrehung der Erde während
eines Tages gleich stark erwärmt werden, so hat man einen wärmsten Gür-
tel und zwei kälteste Punkte an den Polen zu betrachten. Uebersicht man
zunächst die veränderliche Declination der Sonne, so sällt die Mitte des hei-
ßesten Gürtels mit dem Aequator zusammen. In den obern Regionen strömt
die heiße Luft, der A e q ua to ria l stro m, von dem Aequator nach den Polen,
und wird durch kalte Polarströme in den untern Luftschichten wieder ersetzt.
3. Die Richtung dieser Winde würde mit den Meridianen zusammen-
fallen, wenn nicht die Notation der Erde dieselbe etwas ablenkte. Der
Polarstrom kommt in immer größere Parallelkreise, die Drehungsgeschwindigkeit
der Oberfläche wird hier größer, und da seine Schwungkraft Heiner ist, als
im Aequator, so kann er nicht so schnell folgen; er leistet den Körpern, die
sich zugleich mit der Erde von W. nach O. drehen, Widerstand, und des-
halb scheint der Wind aus O. zu kommen. Beide Richtungen zusammenge-
setzt, die östliche mit der ursprünglichen Richtung des Polarstroms, bringen
J) Passât, in. ital., von passare — vorbeigehen; vom lat. passas — Schritt.