1856 -
Eßlingen
: Weychardt
- Autor: Völter, Daniel
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Die Staaten in Arabien. Nedschd.
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im Sommer völlig menschenleer bleibt. Im Winter aber, wenn nach den Regen zwi-
schen dem Sand wieder Gras hervorsproßt, ziehen viele große Beduinenstämme aus
den angrenzenden Landschaften mit ihren Hcerden in diejenigen Theile ein, die an ihre
Grenzgebiete stoßen. Völlig nackte Wüste ist also auch hier nicht, wie es denn fast
nirgends in Arabien absolute, sondern nur temporäre Wüsten gibt, die mithin von den
sonnverbrannten, ewig dürren Flächen Nubiens sehr verschieden sind. Selbst die mit
dem Namen al Akhaf s—sandstreckesl bezeichneten Stellen überziehen sich nach
der Regenzeit immer wieder mit Pflanzen. Der einzig bewohnbare Strich ist der
Wady Jabrin, eine quellen- und salzrciche Gegend mit vielen Palmen, aber
wegen ihrer Fieber gefürchtet.
8. Nedschd s— erhabener Ort, Hochlandj. Das mittlere Binnenland Arabiens
zwischen Hedschas, der Wüste Diobä el Chlly, et Ahsa und der arabischen Wüste. Ein
hohes Plateauland mit einzelnen Bergketten, darunter der Dschebel el Aared oder
Jmarieh, der Dschebel Tueik und der 9,000'? h. Dschebel Schammar, der
ans dem Dschebel Selma und Adscha besteht. Im N. des Dschebel Schammar geht
Nedschd in die tiefer gelegene Sandwüste Dhnhy oder Nufüd über, die im N. des
30° Br. zu der noch tiefer gelegenen Hochfläche der arabischen Wüste abfällt. Nedschd
ist der fruchtbarste und bevölkertste Theil Arabiens mit heißen Sommern
und kühlen regenreichen Wintern. Es ist in ganz Arabien wegen seiner Weiden, die
nach dem Regen selbst in seinen Wüsten grünen, wegen seiner schönen und frucht-
baren Kultnrstellen und wegen seiner herrlichen Dattelpflanzungen be-
rühmt. Seine Ebenen werden von zahllosen Beduinen besucht, die hier den größten
Theil des Jahres zubringen und von den Einwohnern Korn und Gerste kaufen,
Während der Regenzeit kehren'diese Beduinen in das Innere der Wüsten zurück, wo sie
bleiben, bis das in den Erdhöhlen gesammelte Wasser von ihren Heerden verbraucht ist.
Die schönen Weiden ernähren die trefflichsten Dromedare, die nicht unter 300
Thalern zu haben sind, und die feurigsten Pferde von der Welt, von denen die
Vollblutpferde am Halse ein Säckchen mit einem Stück Gazellenhaut tragen, worauf
ihr Stammbaum verzeichnet ist, und die oft um 1,000 Thaler verkauft werden. In-
dessen ist Nedschd häusig dem Mangel ausgesetzt, der durch das Ausbleiben des Re-
gens und folglich auch des Futters verursacht wird. Epidemische, pestähuliche Krank-
heiten sind die Folgen dieses Mangels und werden sehr gefährlich. Kleine Beduinen-
stämme und Ansiedler, die sich unter ihnen verheiratbet haben, machen die Bevölkerung
von Nedschd ans. Der Handelsgeist ist unter derselben vorherrschend. Ein lebhafter
Verkehr wird mit Mekka, Medina, Dschmeu, Bagdad und Damaskus unterhalten.
Kameele und wollene Mäntel sind die vornehmsten Ausfuhr-, Reis und Kleidungs-
artikel, Kaffee und Spezereien die wichtigsten Einfuhrartikel; jene kommen von Bagdad,
diese von Mekka. Die Kaufleute sind reich und stehen in einem bessern Ruf der Ehr-
lichkeit, als die meisten andern Kaufleute des Orients. Nedschd bildet das gemein-
same Centrum Arabiens, wo einst die gefeiertsten Dichter blühten, aus dem nach
und nach in den ersten Jahrhunderten des Islams die zahllosen Schwärme von
Arabern hervorbrachen, welche Asien und Afrika überschwemmten. Noch jetzt ist es
das Stammland nomadischer, krieggewohnter Völker, die von da aus alle Umgegend
bedrohen, und die Wiege des Wahabismns, der dem Islam siegreich entgegen trat.
Der Gründer der reformatorischen muhamedanischen Sekte der Wcchabiten swaha-
bitenj ist der 1787 gestorbene Scheikh Mvhamed, Sohn des Abd' el Wahab,
der aus einem kleinen Beduinenstamme in Nedschd abstammte. Der Hauptsatz seiner
neuen Lehre war: „Nur Ein Gott, von dem alle Gnade und aller Segen kommt;
Muhamed ist nur dessen Vermittler, ein Mensch, dem daher keine göttliche Verehrung
gebührt." Sein erster Beschützer und eifrigster Anhänger war der 1705 gestorbene
Scheikh Ebn Seond in Deraaije, der seit 1745 den Wahabismns in seiner Dop-
pelgestalt der Reformation und Eroberung durch Waffengewalt über Nedschd ausbreitete
und einen Ervberungs- und Kriegerstaat gründete, in welchem die geistliche und
weltliche Gewalt getrennt blieb; Scheikh Mohamed und seine Nachkommen waren die
Oberpriester, Ebn Söoud und seine Nachfolger waren Emire oder Fürsten und
Oberfeldherren. 1809 umfaßte das Wechabitenreich ganz Arabien, mit Ausnahme von
Omln, und das Wechabitenheer bestund aus'180,000 wohl berittenen Reitern. Seit
dem Anfang dieses Jahrh, plünderten und störten die Wechabiten die Pilgerkaravanen;
sie überschritten als Eroberer auch die Grenzen der Halbinsel und bedrohten Bassora,
Mesopotamien, Aleppo und Damaskus. Da rief 1811 die hohe Pforte den Meh emed
Ali, den Pascha von Aegypten, zu einem Zuge gegen sie auf. Die Feldherrn dessel-
den brachen endlich auch in mehreren Feldzügen in den Jahren 1811 bis 1818 die
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