1. Bd. 1
- S. 54
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
54
Einleitung.
reisen sind voll von Beschreibungen merkwürdiger Wasserhosen, die
man beobachtet hat. — Die nämliche Erscheinung, welche sich
auf dem Meere als Wasserhose zeigt, kommt auch, wiewohl viel
seltener als dort, auf dem festen Lande vor, und erscheint als ein
heftiger, nur auf einen sehr schmalen Raum eingeschränkter Sturm-
wind, der alles mit sich in die Höhe reißt und fortführt. Man
nennt diese Erscheinung Windhose oder Landtrombe.
Eine theils feurige, theils glanzende und höchst wahrschein-
lich zugleich elektrische Lufterscheinung ist das prachtvolle Nord-
licht oder der Nord sch ein, welches im Wesentlichen aus einem
farbigen, sich über dem nördlichen Horizonte erhebenden Kreisab-
schnitte besteht, der von einem glanzenden, weißen oder röthlichen
Bogen eingefaßt ist, aus welchem von Zeit zu Zeit Strahlen, Licht-
bündel und Feuergarben emporschießen, die sich im Scheitelpunkte
des Beobachters vereinigen. Am häufigsten, schönsten und voll-
ständigsten erscheinen sie im hohen Norden. Auch in der Nahe des
Südpols hat man diese Erscheinung, die man hier das Südlich t
nennt, beobachtet. Die Entstehung dieser Polarlichter ist noch im-
mer sehr rathselhaft; nur so viel laßt sich aus den dabei vorkom-
menden Erscheinungen mit Gewißheit schließen, daß Elektricität
und Magnetismus dabei im Spiele sind. Für das erstere spricht
der Umstand, daß manche Gewitter in Nordlichter übergehen, auch
Blitze bei großen Nordlichtern beobachtet worden sind; für das letz-
tere zeugt der Zusammenhang des Kreisbogens mit dem sogenann-
ten magnetischen Meridian oder der Richtung der Magnetnadel
und die Unruhe, in welche dieselbe wahrend des ganzen Verlaufs
dieser Lufterscheinung gerath. Je weiter man sich von den Polen
entfernt, desto seltener werden die Nord- und Südlichter, und de-
sto mehr nimmt ihre Kraft ab. Steigt das Nordlicht in den Polar-
gegenden am Horizonte hoch herauf, so erblickt man solches auch
in Deutschland; man steht dann gegen Norden zu am Himmel
eine weißliche oder purpurrothe strahlende Lichtmasse, in Gestalt
leichter dünner Wolken, durch welche das Strahlenlicht schimmert.
Ein Fortschießen der Strahlen, wie man es im Norden bemerkt,
sieht man bei uns nicht, obgleich das strahlende Licht auch seine
Stelle zu verändern pflegt. Noch weniger hört man, wenn ein
Nordlicht bei uns gesehen wird, jenes furchtbare Zischen, Knallen
und Rollen, welches diese Naturerscheinung in den Polarlandern
zuweilen begleitet.
Zu den bloß leuchtenden oder glanzenden Lufterschei-
nungen, welche durch die Zurückwerfung, Brechung und Beugung
der Lichtstrahlen in der Atmosphäre entstehen, und daher auch
optische genannt werden, gehören: der Regenbogen, die Neben-
sonnen und Nebenmonde, die Höfe um die Sonne und den Mond,
die Dämmerung, Morgen- und Abendröthe, Irrlichter, feurige