1. Bd. 1
- S. 77
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Einleitung.
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unterscheidet Haupt- oder Mutter- und Neben- oder Toch-
tersprachen. Unter jenen versteht man solche, die ihren eige-
nen Ursprung haben, unter diesen solche, die ihre Entstehung einer __
andern Sprache verdanken. So ist z. B. die Deutsche eine Mut-
ter- und die Holländische eine Tochtersprache der Deutschen. Mund-
arten oder Dialekte heißen die Abänderungen in einer Sprache,
die unter den verschiedenen Theilen eines Volks, das einerlei
Sprache redet, zu gleicher Zeit angetroffen werden. Eine Men-
schenmenge, die von einerlei Abstammung ist und einerlei Sprache
redet, heißt eine Nation oder ein Volk. Doch wird auch oft
Nation und Volk unterschieden, und unter dem letztern eine Men-
schenmenge verstanden, die unter einerlei Regierung steht.
Eine andere Verschiedenheit der Menschen wird durch ihre
Lebensart bewirkt. Es giebt Gegenden der Erde, wo sich die
Menschen entweder nur von der Jagd oder der Fischeresi nähren,
nach Beschaffenheit des Klima's entweder nackt gehen, oder sich noth-
dürftig mit den Fellen der erlegten Thiere bedecken, in Erdhöhlen oder
in höchst einfach erbauten Hütten wohnen, und deren Bestrebun-
gen hauptsächlich nur auf die Befriedigung ihrer leiblichen Be-
dürfnisse gerichtet sind, und die in Hinsicht des geistigen Lebens,
auf der niedrigsten Stufe menschlicher Bildung stehen. Man
nennt sie Wilde. Andere Gegenden der Erde sind von Völkern
bewohnt, welche sich vornehmlich von der Viehzucht nähren und keine
festen Wohnplätze haben, sondern mit ihren Heerden dahin ziehen,
wo sie das beste und meiste Futter für dieselben finden, und wenn
dieses aufgezehrt ist, wieder nach einer andern Gegend wandern.
Man nennt sie Hirtenvölker oder Nomaden, deren Wohnun-
gen in Zelten oder beweglichen Hütten bestehen. Verschieden von
diesen beiden sind die gesitteten, gebildeten oder civili-
sirten Völker, die neben der Viehzucht auch Ackerbau und au-
ßerdem Gewerbe (Handwerke und Fabriken) Handel, Künste und
Wissenschaften treiben, und feste Wohnplatze haben, die in Dör-
fern, Flecken und Städten vereint stehen. Indessen sind mehrere
dieser so eben genannten Beschäftigungen den gesitteten Völkern
nicht ausschließend eigen, sondern werden mit mehr oder weniger
Geschicklichkeit auch von manchen wilden und Hirtenvölkern be-
trieben.
Eine kleinere oder größere Anzahl von Wohnungen oder Häu-
sern nennt man entweder Weiler oder Dorf (beide gewöhnlich
von Bauern bewohnt), oder Flecken, auch Marktflecken (wo
nicht bloß Bauern, sondern auch Handwerker und Kaufleute woh-
nen), oder Städte, die oft mit Mauern und Thoren versehen
sind, und deren Einwohner Bürger heißen, und sich hauptsächlich
von Handwerken, Fabriken und Handel ernähren. Vorstadt ist
eine Anzahl von Häusern, die außerhalb der Stadtmauern oder