1. Bd. 1
- S. 283
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Belgien.
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baut wird. Auch bekommt dieses Gewächs nach dem dritten Jahre
holzige Stamme, welche als Brennmaterial in den holzarmen Ge-
genden Belgiens in Werthe stehen. In mehreren Gegenden wächst
eine andere Art Ginster, Stachelginster (Illex Europaeus)
genannt, welcher wegen seiner vielen Stacheln sehr zu Hecken taug-
lich ist, und im dürrsten Boden fortkommt. Wo es an Futter
für das Vieh fehlt, werden ihm die Blätter und die Stängel da-
von klein geschnitten gegeben.
Die Belgier theilen sich in Flamänder und Wallo-
nen. Jene bewohnen den nördlichen Theil Belgiens oder die
Provinzen Belgisch-Limburg, Südbrabant, Antwerpen, Ost- und
Westflandern; diese den südlichen Theil oder die Provinzen Hen-
negau, Namur, Lüttich und Belgisch-Luxemburg. Jene reden die
Flämische, diese die Wallonische Sprache. Die erstere ist
ein höchst verdorbener Dialekt der Deutschen, der weder Hollän-
disch noch plattdeutsch ist, aber mit dem Holländischen die meiste
Aehnlichkeit hat. Die Wallonische Sprache ist ein eben so im
höchsten Grade verdorbenes Französisch, wie das Flämische ein ver-
dorbenes Deutsch ist*). Beide Sprachen, sowohl die Flämische als
Wollonische, sind bloß Volkssprachen geblieben, ohne sich zu Schrift-
sprachen mit einer Literatur zu erheben. Dagegen ist die Franzö-
sische Sprache, vorzüglich seit der Zeit, daß Belgien mit Frank-
reich vereinigt war, unter den Gebildetern immer herrschender ge-
worden, und die hier erscheinenden Bücher sind Französisch ge-
schrieben, welches auch gewöhnlich Gerichtssprache ist.
Die Flamänder gleichen in ihrem Aeußern, in ihrer Le-
bensart und manchem Eharakterzuge dem Holländer. Sie sind
eben so nüchtern, einfach in ihrer Lebensweise und beharrlich, eben
so arbeitsam, thätig und kaufmännisch gesinnt, eben so ehrlich im
Handel und gewissenhaft in ihren Versprechungen, eben so zurück-
haltend und verschlossen, aber fest in der Freundschaft, sobald man
ihr Zutrauen gewonnen hat, eben so schwerfällig und phlegmatisch,
*) Zur Probe der Aehnlichkeit des Wallonischen mit dem Französi-
schen lassen wir hier ein Stück aus einem Vvlrsliede folgen:
' Wallonisch Franzö fisch
J’aveu de lar Som m’ planchi
Et del bire cm cave,
Y son bu et to magni
Esse Don-l’y leï bille tave
Kan y vont a voyeche,
Y fa renply leu Seiche,
On nelle scareu wagni a fai
ï’o renpli leu boyai
Envois du lard sur mon grenier,
Et de la bière dans le cave,
Ils ont tout bu et tout mange',
Ils n’ont laissé que la table.
Quand ils vont en voyage
Il faut remplir leurs Sacs,
On ne sauroit gagner fur à mesure,
Pour remplir leurs boyaux.