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1. Bd. 1 - S. 314

1835 - Eisleben : Reichardt
314 Schweiz. bewohners, Biederkeit und Freisinn bei manchem Schweizer in den Hintergrund gestellt; so kann dies doch nur als Ausnahme betrach« ket werden, und entfernt von diesen Einflüssen, zumal in den ho- hen Alpenlandschaften, finden sich jene Eigenschaften in ihrer schö- nen Reinheit und es bleibt im Allgemeinen wahr, daß die herr- schenden Charakterzüge des Schweizers Redlichkeit und Biederkeit, Offenheit, Treue, Gutmüthigkeit, Gastfreiheit, Arbeitfamkeit, Ta- pferkeit und Muth, Entschlossenheit und Beharrlichkeit, eine unge- meine Freiheitsliebe und eine äußerst große Vorliebe für sein Va- terland sind. In Vaterlandsliebe werden sie wohl nicht leicht von einem andern Volke übertreffen. Die Sehnsucht nach der Heimath, die allen Gebirgsbewohnern so eigen ist, scheint dem Schweizer in hohem Grade angeboren zu seyn; und hört er im fernen Auslan- de den Kuhreigen oder Kuhreihen, jene berühmte uralte Na- tionalmelodie der Alpenhirten *), so erwacht plötzlich das Heimweh, das unbefriedigt den davon Befallenen verzehrt und in Krankheit bringt, wie so viele Beispiele schon gezeigt haben**). Uebrigens gehören noch zu den Hauptzügen in dem Charakter der Schweize- rinnen Sittsamkeit, Keuschheit und Reinlichkeit; sie sind gute Gat- tinnen und gute Mütter. Zwar scheint auf die Sittsamkeit der Mädchen der uralte fast in der gesammten Deutschen Schweiz noch herrschende Gebrauch des Kiltganges d. h. ein Nachtbesuch des Liebhabers in der Schlafkammer seines Mädchens, einen Schatten zu werfen, allein es geht im Allgemeinen dabei sehr anständig zu und hat sein Bewenden bei unschuldigen Liebkosungen, so daß Frei- heiten, die man sich öffentlich nicht erlaubt, auch hier in der Regel weder genommen, noch gestattet werden. Und wenn auch dann und wann dabei die innigste Annäherung beider Geschlechter vorfallen sollte: so würde der Jüngling der ganzen Gemeinde verächtlich wer- den und auch einer harten Züchtigung nicht entgehen, der ein Mädchen bei Gelegenheit eines Kiltganges schwächte und sie nicht ehelichen wollte. *) Zur Zeit wenn die Hirten ihre Heerden auf die Alp treiben, pflegen sie eine Art von Hörnern, die aus Baumrinden verfer- tigt find, mit sich zu führen, auf denen sie mit besonderer Ge- schicklichkeit zu blasen verstehen. Diese ländliche Musik ist allen Alpenhirten bekannt und macht einen großen Theil ihres Zeit- vertreibs in ihrem einsamen Hirtenleben aus. **) Als einst der Kuhreigen bei den in Holland stehenden Schwei- zersoldaten geblasen wurde, entstand unter ihnen eine allgemeine Sehnsucht und Betrübniß; sie erinnerten sich lebhaft an ihr Va- terland und die Glückseligkeit, die sie in ihren Gebirgen genop sen hatten, und fast alle gemeinen Soldaten forderten ihren Abschied, weshalb das Blasen auf solchen Hörnern verboten wurde.
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