1. Bd. 1
- S. 330
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Schweiz.
Wrkenzersee nach den Hochgebirgen und bis zu den Quellen der
Aar hin, von welcher es der Lange nach durchströmt wird. Rings-
um von den schönsten Bergformen begränzt, ist es nicht allein
außerordentlich reich an den herrlichsten und mannigfaltigsten An-
sichten und Naturszenen, sondern es wird auch von einem Berg-
volke bewohnt, welches ohne Widerrede der schönste Menschenstamm
unter allen Gebirgsvölkern der Alpen ist. Sie leiten ihren Ur-
sprung von den Schweden ab und in der That scheinen sie einem
andern Stamme entsprossen, als die Bewohner der benachbarten
Thaler. Das Haslithal theilt sich in das untere und obere
Hasli. Das erstere, eine auf beiden Ufern der Aar vom Brien-
zersee sich 3 Stunden in die Lange und /4 Stunde in die Breite
erstreckende Ebene ist sehr fruchtbar, gut kultivirt und genießt ei-
nes milden Klima's. Getreidefelder, Garten, Wiesen, und Wal-
dungen wechseln anmuthig mit einander ab und auf beiden Sei-
ten stürzen sich von den hohen Bergabhängen eine Menge Berg-
wasser herab, die in zierlichen Fällen der Aar zueilen. Born im
breitesten Kessel des Thales liegt der Flecken Meyringen, wel-
cher in seiner Umgegend als größte Merkwürdigkeit den eine kleine
Stunde entfernten Wasserfall des Reichenbach's darbietet der
auf einer der höchsten Alpen entspringt, womit das Haslithal ein-
gefaßt ist, in seinem Laufe alle Quellen der benachbarten Alpen
und nahen Gletscher aufnimmt, und zwischen 2 Felswänden hervor-
brechend , 7 Fälle bildet, von denen der oberste der schönste ist.
Hier stürzt die 20 bis 50 F. starke Wassersäule unter dumpfem,
donnerähnlichem Getöse aus wilden Felsenfchluchten, mit ungeheu-
rem Staubregen, fast senkrecht gegen 500 F. hoch in ein Becken,
welches nur selten von der Söchne beschienen wird. Der unterste
Fall ist der malerischste von allen.
Aus dem Unterhasli gelangt man über den Kirchet, einen
ansehnlichen quer durch das hier sehr enge Thal lausenden Wall
von Felsen, in das Ob er hasli, das nach der Grimsel zu im-
mer höher hinaufsteigt, sich in mehrere Seitenthäler verzweigt u'nd
von hohen, fast unzugänglichen Alpen umgeben ist, die meist mit
düstern Tannenwaldungen bedeckt sind, über welche Gletscher, kahle
Felswände und nicht zu ersteigende Schneespitzen hervorragen. Be-
sonders ist es das Wett erhörn, das sich vom Grindelwaldthale
mehrere Stunden weit ins Oberhasli hinein erstreckt. Hier steigt
einer der schönsten Gletscher, der Nosenlauiggletscher mit
seinem reinen bläulichweißen Eise herab. In dem Oberhasli bil-
det die Aar den schönsten Wasserfall bei der Sennhütte Hand eck.
An Wassermenge nur dem Rheinfalle nachstehend, stürzt sie, von
hohen wilden Felsen umgeben, in einen schwarzen, 200 F. tiefen
Schlund, in welchen zugleich von der entgegengesetzten Seite der
ansehnliche Handeckbach herabschäumt. Der Anblick dieser beiden
Wasserfälle, die aus dem Himmel herabzustürzen scheinen, ist au-