1. Bd. 1
- S. 359
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Italien.
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und der Tanz das einzige Heilmittel dagegen oder aber die Ge-
fahr lediglich in der überspannten Phantasie der Kranken vorhan-
den sey; so hört man auf die beiden ersten Fragen bejahend ant-
worten. Was aber die dritte Behauptung betrifft, so scheint aus
dem, was die Leute sagen, hervorzugehen, daß die meisten von
denen, welche behaupten von der Tarantel gebissen zu seyn, im
Grunde bloß mit einer Art melancholischen Wahnsinnes behaftet
sind, dessen Symptome sich durch heftige Leibesbewegung und Mu-
sik für eine Zeitlang hemmen und mitunter nebst der ganzen Krank-
heit von Grund aus vertreiben lassen. Zwar könnte die Krankheit,
welche man dem Tarantelbiß zuschreibt und die man Tarantism
nennt, eben so gut in der Natur des Klima, der Trockenheit des
Bodens, der Seltenheit der Wälder und der übermäßigen Hitze
ihren Grund haben; doch aber ist der eigentliche Tarantism, nach
der Meinung gelehrter Italienischer Aerzte nichts desto weniger et-
was Wirkliches, und nicht ein Werk der Verstellung. Man glaubt
insgemein, daß wenn eine solche kranke Person das Bewußtseyn
verloren habe, so lasse man einen Musikanten kommen, um ihn
euf einem Instrumente verschiedene Weisen von recht lustigem
Charakter vorzuspielen, und sobald derselbe die dem Patienten zu-
sagende Melodie getroffen habe, sehe man letztern sich taktmäßig
bewegen, aufstehen und einen T7inz beginnen. Von solchen Din-
gm ist nichts zu unserer Kunde gekommen; vielmehr hat man
ins versichert, daß die Melodien, deren man sich seit langer
Znt zur Heilung des Tarantism bedient hat, immer dieselben ge-
wesen seyen, daß sie in einem sehr langsamen Tempo beginnen,
dlnn aber nach und nach lebhafter werden und zuletzt in ein Pre-
st> übergehen."
Die Skorpione sind eine andere Gattung von Insekten,
welche den Neapolitanern ebenfalls lästig werden. Sie haben der
Gestalt nach die größte Ähnlichkeit mit dem Krebse, 8 Füße, vorn
zuei große Scheeren, ferner einen verlängerten Schwanz, in Glie-
der getheilt, und werfen auch wie der Krebs, ihre Schaale jahr-
lch ab und haben selbst in der Lebensart mit ihm manches ge-
nein. Die Merkmale, welche dem Skorpion jedoch von dem Krebse
unterscheiden, sind folgende: die Augen stehen anders wie bei dem
Krebse; zwischen der Brust und dem Bauche sind zwei Kamme
wer kammartige Anhängsel; der Schwanz ist mit einem geboge-
wn Stachel bewaffnet, welcher unten zwei längliche Ritzen hat.
An Ende des Schwanzes liegt eine kleine Blase, in welcher sich
en giftiger Saft sammelt; so bald nun der Skorpion sticht, so
laßt er aus diesem Giftblaschen einen feinen Tropfen Gift in die
Wunde stießen. Man kennt etwa 8 Gattungen Skorpione, welche
ar Größe und Farbe sehr verschieden sind. Es giebt deren in
der warmern Gegenden von Europa, besonders in Italien, im
sü)lichen Frankreich und in Spanien, und hier sind sie ohne den