1. Bd. 1
- S. 452
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
452
Italien.
dann möglich seyn würde, in den Straßen von Herkulanum zu
wandeln und in das Innere der Hauser einzutreten. Eine Zeit-
lang hatten die Ausgrabungen aufgehört, aber 1828 sind sie nach
einem neuen Plane, wieder angefangen "worden, und haben zur
Folge gehabt, daß das größte bis jetzt bekannte Privathaus der
Alten entdeckt worden ist, worin man eine Reihe von Zimmern
Mit einem Hofe in der Mitte, dann eine Abtheilung Frauenge-
mächer, einen großen von Arkaden und Säulen umgebenen Gar-
ten, endlich große Sale findet, welche wahrscheinlich zu Familien-
verfammlungen dienten. Ein anderes ebenfalls ausgegrabenes
Haus ist merkwürdig durch die daselbst in noch verschlossenen Vor-
rathskammern gefundenen Victualien, welche in Datteln, Kasta-
nien, großen Nüssen, getrockneten Feigen, Mandeln, Pflaumen,
Getreide, Knoblauch, Erbsen, Linsen, kleinen Bohnen, Teig, Oel,
Schinken bestehen. Auch sind darin Gemälde, Gefäße und andere
Sachen von Glas, Bronze und gebrannter Erde, so wie Münzen
von Silber gefunden worden. Außerdem hat man das ganze
s Haus eines Barbiers aufgedeckt. Die Boutique dieses Künstlers,
die Gerätschaften, die Wartbanke der Kundschaften, die Bad-
stube und sogar die Haarnadeln, alles ist noch außerordentlich gut
erhalten. Vorher hatte man mehrere chirurgische Instrumente
und unter andern silberne Sonden in dem Hause eines Wundarz-
tes, in einem andern Theile der Stadt gefunden. Man setzt die
Ausgrabungen in der ganzen Straße fort, und hat sich vorgenom-
men, bis in die Kaufgewölbe und in die Hauser an beiden Seiten
der Hauser, so wie bis in die anstoßenden Gaßchen vorzudringen.
Noch merkwürdiger, und sehenswürdiger ist die zweite aus-
gegrabene Stadt Pompeji, die '/«Stunde von der jetzigen Stadt
Torre del Annunciata, links von der von Neapel nach Salerno
führenden Straße, am Fuße des Vesuvs und etwa '/« Stunde vom
Meere liegt. Sie giebt ein vollständigeres Bild häuslicher Ein-
richtung, der Bauart und des Lebens der Alten, als Herkulanum,
weil sie nicht wie die letztere Stadt, bei dem Ausbruche des
Vesuvs, von einer glühenden dicken Lavamasse, sondern
bloß von einer vulkanischen Asche verschüttet wurde, die je-
doch kaum einige Fuß über den Giebel der vergrabenen Gebäude
sich erhebt. Das Ausgraben war daher nicht so schwierig; auch
steht kein anderer Ort über der Stadt, wie es bei Herkulanum
der Fall ist. Schon ist ein Fünftheil (nach andern V3) von Pom-
peji vom Schutte befreit und liegt auf gleicher Ebene zu Tage,
so daß man auf den Straßen desselben, so wie auf dem Forum,
herum wandeln kann. Man ist aber Willens, diese in ihrer Art
einzige Stadt, die gewissermaßen aus der Erde emporsteigt, durch-
gängig aufzugraben, um das häusliche Leben der Römer und den
Zustand der mechanischen und freien Künste unter ihnen zur Zeit
ihrer größten Macht in allen Einzelheiten zu enthüllen. Die erste