1. Bd. 1
- S. 614
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
r
614 Deutschland.
das alleinige Wahlrecht nebst andern großen Vorrechten den 5
geistlichen Kurfürsten Main;, Trier und Cöln und den weltlichen
Böhmen, Pfalz, Sachsen und Brandenburg bestätigt wurde. Un-
ter Wenzel (Wenzeslaw), der seinem Vater Karl Iv. nicht
ähnlich war, erhob das Faustrecht aufs Neue sein Haupt und
zwar mehr als je. Mit Sigismund, einem zweiten Sohne
Karls Iv., unter dessen Regierung von 1410 bis 1437, aus ci-
rrem Markgrafen von Meißen ein Kurfürst von Sachsen und aus ei-
nem Burggrafen von Nürnberg ein Kurfürst von Brandenburg wur-
de, erlosch das Luxemburgische Kaiserhaus. Wahrend der Dauer
desselben sank zwar das Ansehen des Reichsoberhaupts im hohen
Grade, aber in den bürgerlichen Verhältnissen hatte sich vieles zum
Vortheil geändert. Durch die Kreuzzüge *) hatte sich ein ganz an-
derer Geist über alle Stande verbreitet; man hatte im Morgenlande
Genüsse und Bequemlichkeiten des Lebens kennen gelernt, die man
in seiner Heimath nicht wieder fand. Um sich selbige zu verschaffen,
wurden Handel und Gewerbe nothwendig und diese kehrten in die
Deutschen Städte, besonders in die Reichsstädte ein, deren Macht
und Anfehn von Tag zu Tage mehr stiegen. Auch wurde der Sinn
für wissenschaftliche Bildung und Geistesfreiheit unter den Deut-
schen rege, und unter Karls Iv. Negierung im I. 1348 die Uni-
versität Prag gestiftet, die so ausblühte, daß sie 1409 von 20,000
Studenten besucht wurde. Hier lehrte der freimüthige Huß und
kämpfte gegen die Mißbräuche der pabstlichen Hierarchie, ward
aber auch ein Opfer seiner Wahrheitsliebe durch die Beschlüsse der
unter Sigismunds Regierung zu Constanz oder Eostnitz gehalte-
nen großen Kirchenversammlung, die ihn zum Tode verurtheilte
und verbrennen ließ, worauf die fürchterlichen Hussitenkriege in
Böhmen entstanden, die nicht allein dieses sondern auch die an-
grenzenden Deutschen Länder verheerten und bis zu Sigismunds
Tode fortdauerten. Die Bedrückungen, die man sich auch nach-
her gegen die der Lehre des Huß folgenden Böhmen erlaubte, ga-
den in der Folge den ersten Anlaß zum 50jährigen Kriege.
Mit Albrecht Ii. fängt die ununterbrochene Reihe der
Kaiser aus dem Oesterreichischen Hause an, die nur 1740 durch
einen Kaiser aus dem Hause Baiern eine kurze Unterbrechung er-
fuhr. Albrecht starb zu früh für aller Hoffnungen und Wünsche.
Friedrich Iii., ein schwacher Fürst, regierte zwar lange von 1439
— 1493, schadete aber dem Deutschen Reiche mehr, als er ihm
nützte. Unter seiner Regierung herrschte das Faustrecht noch im-
mer fort, die Befehdungen der Fürsten und Edelleute nahmen
*) Sie wurden vor dem Schluffe des il. Jahrhunderts bis zum En-
de des 1z. zur Eroberung Jerusalems und des heiligen Grabes
unternommen und bekamen ihren Namen von dem rothen Kreuze
aus Seide oder Tuch, welches die daran Antheil nehmenden aus
der rechten Schulter befestigten.