1. Bd. 1
- S. 626
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Deutschland.
Trunkenheit und Spielsuchk waren ihnen eigen. Dem Heidenthum
zugethan, verehrten sie mehrere Götter, z. B. den Wodan (Odin),
den Thu ist (Teut), die Hertha oder Erde rc. Ihre Prie-
ster hießen Druiden und waren zugleich Aerzte, Wahrsager und
Richter. Ihnen zur Seite -standen weissagende Frauen, die Al-
raunen. Zur Verherrlichung der Helden hatte man Sänger
und Spieler, Barden genannt. Von einem andern.leben hat-
ten sie eine Ahnung, wonach es zwei Abtheilungen gab, nämlich
Walhalla, den Aufenthalt der Tapfern und Hel oder Hela,
den Aufenthalt der Feigen.
Von diesen Germanen stammen die jetzigen Deutschen
und zerfallen nach ihren zwei Hauptmundarten, dem Oberdeut-
schen und Niederdeutschen oder Sächsischen, welche sich in
der Deutschen Sprache schon vor dem 8ten Jahrhunderte durch
äußere geschichtliche Verhältnisse gebildet haben*) und noch gegen-
wärtig im Munde des Deutschen Volkes einen Gegensatz abgeben,
wieder in zwei Hauptstamme, den Oberdeutsche n, welcher das
ganze südliche Deutschland inne hat und mithin die Obersachsen,
Thüringer, Franken, Mittel- und Oberrheinlander, Hessen, Schwa-
den, Baiern, Tyroler, Oesterreicher, Mährer, Schlesier und Lau-
sitzer in sich begreift — und den Niederdeutschen, welcher
sich über das nördliche, fast aus lauter Flachland bestehende Deutsch-
land verbreitet hat, und wozu die Niederrheinlander, Westphalen,
Niedersachsen, Anhalter, Brandenburger und Pommern, so wie
auch als ein Nebenzweig die Friesen gehören. Das Hochdeut-
sche aber, die allgemeine Schrift- und Literatursprache, zugleich
die Sprache der gebildeten und höhern Stande, von den Alpen
bis zur Nord - und Ostsee, ist keine Mundart eines einzigen Volks
der Deutschen, sondern aus allen, durck den Fleiß der Gelehrten,
besonders seitdem Luther die Bibel in die Deutsche Sprache über-
setzte, im 16ten Jahrhunderte entstanden und hat seine völlige
Ausbildung erst seit der zweiten Hälfte des 18ten Jahrhunderts
erhalten. Diese Hochdeutsche Sprache, wenn sie auch an Wohl-
laut den vokalreichen Sprachen der Spanier, Portugiesen und
Italiener nicht gleichkommt, vereinigt Reichthum, Geschmeidigkeit,
Biegsamkeit, Kraft und innere Herzlichkeit in sich, lauter Vorzüge,
wodurch sie von keiner andern übertreffen wird. Am reinsten,
») Folgendes Gebet eines heidnischen Sachsen, das man noch aufge-
funden bat, ist eine Probe der Sächsischen Hauptmundart aus
dem 8ten Jahrhunderte: Hilli Krotti Woudana, ilp osk un osken
Pana Witekin vf den aiskena Karel; vi dem Slaktenera! Jk
kif ti in Ur un two Scapa un tat Rof. Jk slakte di all fanka
uptl'nen iliken Artesberka. (Heiliger, großer Wodan, hilf uns
und unserm Führer Wittekind, von dem aischen (häßlichen) Karl.
Pfui dem Schlachter! Ich gebe dir einen Auerochsen und zwei
Schafe und den Raub. Ich schlachte dir alle Gefangene auf
deinem heiligen Harzberge.)