1. Bd. 1
- S. 710
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
710
Deutsch land.
daß Wasskr sammelt. Dreser Damm besteht aus mächtigen, mit
eisernen Klammern verbundenen Granitblöcken, mit Granilsand
und Moos ausgefüllt, ist 60 F. hoch und 325 F. lang und hat
unten 78, oben 59 Fuß im Durchmesser. Das hinter diesem
Damme sich sammelnde Wasser bildet einen 480 F. breiten, 5200
Fuß langen und 60 F. tiefen Teich, der ein volles halbes Jahr
die für den Andreasberger Bergbau nöthigen Wasser liefert, und
wenn auch in der Zeit kein Tropfen hinzu liefe. Der Ausfluß
des Oderteichs geht als Rehberger Graben, 2 Stunden weit
nach Andreasberg. Das überflüßige Wasser, was der Rehberger
Graben nicht abführt, stürzt durch eine Vertiefung des Dammes,
20 Fuß breit, in das alte Bette der Oder und bildet hier einen
über 60 Fuß hohen Wasserfall, indem es über ungeheure Granit-
massen brausend in ein weites Bassin und aus diesem in das
wilde Thal hinab fallt, wo eine fürchterliche Verwüstung und
Wildheit herrscht, und ganze Berge von Granitblöcken sich auf-
thürmen, über und zwischen welchen brüllend und schaumend das
Wasser hinweg eilt.
Der Brocken, der höchste Berg des ganzen Harzes, 3500
Fuß über der Flache der Ostsee erhaben, liegt in der Preußischen
Grafschaft Wernigerode, und hat auf seiner Oberflache l Stunde
im Umkreise und 1200 bis 1500 F. im Durchmesser; an seiner
Grundfläche aber 1 M. in der Lange und £ M. in der Breite.
Der Gipfel besteht aus einer kahlen, runden Flache mit einem
moorigen Boden und ist so wie an den Abhangen mit unförmli-
chen Granitblöcken bedeckt, von welchen 2 der größten der Hexen-
altar und die Teufelskanzel heißen. Die Aussicht von die-
ser Höhe ist groß und weit, besonders nach den ausgedehnten Ebe-
nen Norddcutschlands, die an seinem nördlichen Fuße beginnen,
wo es sich schwer bestimmen laßt, wie weit das Auge reicht. Ge-
wöhnlich schwimmt, selbst beim heitersten Wetter, der entferntere
Horizont in einem Nebel, welcher den Lichtkreis des Gesichts ver-
dunkelt und die Granzscheide des Himmels und der Erde unkennt-
lich macht. Wer schöne, malerische Landschaften vom Brocken zu
erblicken hofft, wird sich getauscht finden; dazu steht man viel zu
hoch, dazu erscheint alles zu klein, und ist viel zu entfernt vom
Beobachter. Aber eben darin besteht das Eigenthümliche dieses
Umsichtspunkts, daß man hier nicht, wie auf andern Bergen,
eine schöne Landschaft nahe vor sich hat, sondern über'alles um
sich her erhaben ist, ringsum durch nichts im Sehen gehindert
wird, eine ungeheure Flache Land und Gebirge überblickt, die
gleich einer Landkarte ausgebreitet ist, und ein natürliches Pano-
rama genannt werden kann. Man übersieht ringsum eine Flache
der Erde, 17^ Meile weit, und soll an 300 Städte und Dörfer,
theils mit, theils ohne Fernrohr erkennen; z. B. Wernigerode,
Halberstadt, Quedlinburg, Magdeburg und die Elbe, Burg, Bran-