1. Bd. 1
- S. 720
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
720
Deutschland.
nießt hier eine schöne Aussicht in die Ferne. Die sich nach der
Stadt hinziehende Seite des Kalkberges ist sanft.
Osnabrück, Hauptstadt des gleichnamigen Fürstenthums,
von 11,000 Menschen bewohnt, liegt am linken Ufer der Hase,
in einer durch Fruchtbarkeit ausgezeichneten Gegend, wo im Al-
terthume die ansehnlichsten Höfe und Hauptsitze der Heiligthümer
der heidnischen Sachsen waren. Hier opferte Hermann die gefan-
genen Römer den Göttern; hier Haufen sich am meisten Wodans
Altare und Grabhügel. Von einer Wittekundsburg sind noch am
Schluchterberge Spuren, wenigstens der Namen Wicksburg. Hier
ward 772 eine Missionsanstalt unter den noch heidnischen Sach-
sen von den Franken angelegt und hier entstand die erste christ-
liche Kirche im Lande der Sachsen, womit Karl der Große eine
Schule verband. Zu den merkwürdigsten Gebäuden Osnabrücks
gehören die Domkirche, mit vielen Gräbern der Bischöfe und vie-
len Reliquien und mit Karls des Großen Schachspiele und eiser-
nem Stocke — und das ansehnliche Rathhaus, wo man noch das
Zimmer zeigt, worin 1648 der Frieden geschlossen wurde, der dem
dreißigjährigen Kriege ein Ende machte, und worin man noch
viele Bildnisse von damals gegenwärtig gewesenen Gesandten sieht.
Dieser Frieden kam erst nach sieben Jahre früher gemachten Vor-
bereitungen zu Stande; denn es wurden schon 1641 zu Ham-
burg vorläufige Punkte festgesetzt, welche besonders den Ort und
die Art der Friedensberathungen betrafen. Man brachte zwei
Unterhandlungsörter in Vorschlag, und vereinigte sich dahin, daß
zu Osnabrück die Schwedischen und die meisten protestantischen,
zu Münster die Französischen, Spanischen, Holländischen und die
meisten katholischen Reichsstande, an beiden Orten aber kaiserliche
Gesandte die Unterhandlungen betreiben möchten. Erst 1645
nahm der eigentliche Friedens -Eongreß an beiden Orten den An-
fang. Endlich 1648 ward der Frieden an beiden Orten abge-
schlossen, welcher, wegen der Lage derselben im vormaligen West-
fälischen Kreise, der Weftphalische Frieden genannt wurde,
ein neues politisches System in Europa begründete, daher die
Grundlage aller neuern Friedensschlüsse bis zur französischen Re-
volution war und insbesondere in Deutschland als das vornehmste
Grundgesetz der Deutschen Staatsverfassung angesehen ward.
Papenburg, eine große Kolonie von fast 4000 Men-
schen, die in Regierungssachen unter dem Fürstenthum Ostfries-
land, in Kirchen- und Juslizsachen aber unter dem Kreise Mep-
pen und mit diesem unter der Landesdroftei Osnabrück steht.
Noch 1675 war diese Gegend, welche jetzt diese blühende Kolonie
einnimmt, und zu dem Gebiete des vormaligen Hochstssts Mün-
ster gehörte, ein wüster oder unwirchbarer Sumpf, dessen Grän-
zen das schärfste Auge nicht zu erreichen vermochte. Außer emer
alten verfallenen Burg und einem Paar elenden Wohnungen war