1. Bd. 1
- S. 735
1835 -
Eisleben
: Reichardt
- Autor: Cannabich, Johann Günther Friedrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher vor 1871
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): Sonstige Lehrmittel, alle Lernstufen
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Hamburg.
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betuna setzt. Viele Sandleute besitzen Büchersammlungen, um mit
dem Geiste des Zeitalters fortzuschreiten.
Durch den Villwerder führt von Hamburg der Weg nach den
V i e r l a n d e n, 4 von Deichen überall eingeschlossenen Landschaften,
welche zwischen der Elbe und Bille liegen. Sie heißen Kirchwer-
d e r, Altengamm, Nenenqamm und -Curslack, sind von
7000 Menschen bewohnt und stehen unter der gemeinschaftlichen Herr-
schaft Hamburgs und Lübecks. Die Vierlande sind ein außerordent-
lich gesegneter Landstrich. Die niedrige Lage der Ländereien, welche
jährlich vom Ende des Herbstes bis zu Anfange des Frühlings mit
Wasser überflössen sind, machen es zu einem nordischen Aegypten,
denn hier so wie dort, lassen diese Ueberschwemmungen den fett-steil
Dünger zurück, der die üppigste Vegetation hervorbringt, vorzüglich
auch begünstigt durch das milde Klima, indem sowohl die Deiche,
als die Hügelkette im N. und O. diese Landschaften gegen kalte Win-
de schützen. Ueberraschend und herrlich, selbst großartig ist der An-
blick des von der Elbe und ihren Armen umflutheten Landes. In
feinem Innern zeigt es sich freundlich und lieblich als ein Bild der
Ordnung, des regsamen Fleißes und des Ueberflusses. Von unzäh-
ligen Gräben, zur Anleitung der Gewässer durchschnitten, welche
überall mit Bäumen oder Gebüschen umpflanzt sind, von Deichen
zur Abwehr der Fluchen umgeben, bietet diese fruchtbare Landschaft,
ungeachtet ihrer ebenen Fläche, durch ihre freundlichen Kirchen, Woh-
nungen und Obstbaumgruppen vielfache Abwechselungen und Überra-
schende Partien dar. Unabsehbare Weizenfelder, Wiesen von Üppig-
sten Graswuchs wechseln mit weitläustigen Gemüse-, Obst- und
Blumengärten, mit Himbeer - und Erdbeerfeldern. In der Blü-
thenzeit des Frühlings erscheint dieser große Garten, in seiner Art
schwerlich übertroffen, in dem lieblichsten Reiz, in der herrlichsten
Pracht der Natur. Man findet kein Fleckchen, das nicht mit Ein-
sicht und Sorgfalt benutzt sey. Der Obst und Gemüsebau ist einzig
in seiner Art. Die Vierländer sind sehr geschickte Obstgärtner und
ziehen selbst die vortrefflichsten Pfirsichen und Aprikosen. Vorzüglich
gedeihen Kirschen und Pflaumen. Mancher Landmann verkauft
jährlich 20,000 bis 30,000 Pf. Kirschen nach Hamburg. Erdbeeren
und Himbeeren werden in großer Menge gezogen, so wie auch ofsizi-
nelle Pflanzen. Besonders merkwürdig sind die unabsehbaren Erd-
beerfelder mit einer Menge Bewässerungskanälen versehen. Man
hat diese Früchte so zu veredeln gewußt, daß sie die vorzüglichen im
nördlichen Deutschland sind. Jährlich werden für 30 bis 60,000 M.
Erdbeeren nach Hamburg verkauft. Eben so ausgezeichnet ist der
Gemüsebau. Die Erbsen werden schon im Januar in Stuben auf-
gezogen, und dann im Februar und März ins Freie verlegt; Kar-
toffeln werden in Körben an den Decken der Wohnzimmer ausgehänat
dort zum Keimen gezwungen und hernach mit sorgfältiger Schonung
der Keime ins Land verpflanzt. Hausthiere aller Art so wie zah-